Vozvrashcheniye (Die Rückkehr) von Andrej Swjaginzew. Rußland, 2003. Vladimir Garin, Ivan Dobronravov, Konstantin Lavronenko

   Russische Filme waren mal, und das ist schon ein gutes Jahrzehnt her, eine recht seltene aber umso kostbarere und sichere Größe im Kino. Düstere, harte, schroffe Bilder aus einer gar nicht so fernen, aber dennoch unendlich fremden und finsteren Welt und als grimmiges Korrektiv zu unserem geläufigen Zuckergußweltbild made in Hollywood absolut unentbehrlich. Nun sind parallel zum Niedergang Rußlands und der anderen GUS-Staaten auch die Filme von dort fast gänzlich von unseren Bildschirmen und erst recht den Kinoleinwänden verschwunden, und man muß schon sehr dankbar sein, wenn man doch mal in den Genuß kommt. Na schön, dann bin ich eben mal dankbar.

   Der Film erzählt die Geschichte einer vierköpfigen Familie – Großmutter, Mutter und zwei Söhne, die urplötzlich durch die Rückkehr des seit zwölf Jahren abwesenden Vaters erschüttert wird. Der Vater kündigt sofort an, mit den beiden Söhnen eine Angeltour unternehmen zu wollen, doch aus diesem Kurzurlaub wird unversehens eine ziemlich lange und zunehmend bedrohliche Reise in die Wildnis, und am Schluß ist der Vater tot, die beiden Brüder kehren nach Haus zurück aber weshalb genau all dies geschehen ist, hat niemand so richtig verstanden.

   Das ist vielleicht der einzige Haken an diesem bemerkenswerten Film, daß von all den vielen Rätseln, die uns aufgegeben werden, nicht auch nur ein einziges geklärt wird. Zusammen mit den beiden Jungs wollen wir natürlich alles über den Vater wissen, erst mal, ob es denn überhaupt der richtige Vater ist, wo er die zwölf Jahre über war, wo er nun herkommt und was er vorhat, welche Geschäfte er verfolgt, auch auf dieser Reise, da er dauernd telefoniert und ganz gezielt die nächsten Ziele anzusteuern scheint. Einmal trifft er sich mit Männern, und es sieht so aus, als werde irgendetwas transportiert oder geschmuggelt oder sonstwas, jedenfalls sehen wir die Ereignisse immer eher durch die Brille der Jungs und begreifen sie deswegen ebenso wenig wie sie. Eine Zeitlang scheint die Erzählperspektive des Regisseurs noch etwas unklar, pendelt hin und her zwischen ganz auktorial und eher auf die Jungs bezogen, doch sobald dann die Reise losgeht, findet der Film seinen Rhythmus und dann wird er ziemlich spannend und faszinierend. Es geht direkt in die russische Wildnis, durch ein Land, das den Begriff unbehaust endlich einmal mit Bedeutung füllt, durch öde, halbleere Siedlungen, verlassene, verfallene Gebäude, alte, längst unbewohnte Bauernhäuser und schließlich auf eine menschenleere Insel in einem sehr großen See, wo sich dann der dramatische Höhepunkt abspielt. Die Spannungen zwischen dem Vater und den Jungen prägen die Geschichte. Der Vater erscheint als ein harter, strenger, unnachgiebiger Kerl, der seinen Jungs vor allem Härte, Disziplin und Fitneß einbläuen zu wollen scheint und der, als die beiden in seinen Augen immer wieder versagen und aus Angst und Unsicherheit alles falsch machen, auch schon mal handgreiflich wird. Er ignoriert die neugierigen, drängenden Fragen der Jungs, ignoriert auch ihre Versuche, sich ihm zu nähern, seine Liebe und seinen Respekt zu gewinnen, er stellt Regeln auf und duldet keinerlei Verletzung dieser Regeln. Der jüngere der Brüder, Ivan, begehrt als erster auf, gibt sich trotzig, widerspenstig, abweisend, während der ältere, Andrej, zunächst mit dem Vater zu paktieren scheint. Später jedoch dreht sich diese Balance auch mal und letztlich erkennen die Jungs, daß sie vor allem sich gegenseitig brauchen, daß sie zusammenhalten müssen um zu überleben. Sie nehmen schlimme Strapazen auf sich und durchleben einige verzweifelte Momente, doch welche Auswirkung diese Erfahrung auf sie hat, erfährt man leider auch nicht, denn da ist der Film schon zu Ende.

 

   Beeindruckend sind die tollen Schauspieler, die unheimlich intensiven, starken Bilder aus einem wie immer wüsten, verödeten, menschenfeindlichen Land, der spannende Sog der Geschichte, die immer dichter wird und sich solange zuspitzt, bis man den unvermeidlichen Knall schließlich erahnen kann. Ich persönlich wäre nicht böse gewesen, wenn wir die eine oder andere Frage beantwortet bekommen hätten, aber so bleibt am Ende eine gewisse Vieldeutigkeit, Unsicherheit Rätselhaftigkeit, sicherlich beabsichtigt und wenigstens im Rahmen der Geschichte ganz konsequent und künstlerisch hervorragend umgesetzt. Gut also, endlich mal wieder was aus diesem großartigen Filmland gesehen zu haben, und hoffentlich dauert es bis zum nächsten Mal nicht wieder so lange – im Kino, meine ich jetzt. (20.6.)