Fahrenheit 9/11 (#) von Michael Moore. USA, 2004

   Zunächst auf jeden Fall dies: Die bloße Tatsache, daß es diesen Film überhaupt gibt, hat etwas überaus Erleichterndes. Endlich mal ein US-Filmemacher, der nicht in den stumpfen Chor der blöden Patrioten und braven Kommerzheinis nach dem 11.9.01 einstimmt, sondern einer, der seinen Gegner ausgemacht hat und nun fast zwei Stunden damit zubringt, gnadenlos auf ihn einzudreschen. Und zwar ganz unfair, ganz parteiisch und total polemisch. So wie man’s manchmal braucht, zumal dann, wenn das Objekt des Hasses George W. Bush heißt und zu allem Überfluß auch noch President of the United States ist. Also ein absolut gesunder, absolut notwendiger Film, weil er hilft, Aggressionen zu artikulieren und abzubauen und weil er uns wie gesagt versichert, daß nicht alle Amerikaner plötzlich von allen Geistern verlassen sind. Vielleicht hält sich dort drüben ja eine kleine aber aufrechte Opposition, ein aufrechtes Häufchen inmitten der Angepaßten, der Mitläufer, der Falken und dröhnenden Patrioten, kurz all der Arschgeigen, die für gewöhnlich dieses Land nach außen repräsentieren dürfen.

 

   Abgesehen davon also, daß dieser Film auf jeden Fall weit und breit heraussticht aus der Einöde US-amerikanischer Machwerke der letzten Jahre, hat er mir persönlich nur wenig Neues mitgeteilt. Wir sehen Bush so, wie wir ihn immer sehen, wenn wir nur Augen und Ohren öffnen: Als eiskalten, bigotten, verlogenen und korrupten Geschäftemacher, Kriegstreiber, Wahlfälscher und Kretin, der sich mit Seinesgleichen umgibt und als perfide Machtclique das ganze Land beherrscht, mangels jeglicher Konzepte die Innenpolitik versaut und davon abzulenken versucht, indem man einmal mehr als Heilsbringer antritt und lautstark die westliche Zivilisation im Mittleren Osten verteidigt. Moore wendet bei seiner Darstellung die bei ihm übliche Mischung aus geschickt montierten Medienschnipseln und bissigen Kommentaren an, wobei er sich in diesem Film als Person sehr deutlich zurücknimmt und sehr viel weniger investigativ vorgeht. Dies mag ihm einerseits als Bescheidenheit ausgelegt werden, ist aber andererseits auch nicht so unvergleichlich amüsant wie früher. Überhaupt gibt sich Moore hier streckenweise sehr pathetisch, bei zwei Stunden Spieldauer und etlichen Längen zwischendrin viel zu langatmig und thematisch ausschweifend (die pummelige, endlos um ihren Sohn jammernde Mama zum Beispiel kann man alsbald nicht mehr ertragen) und verschenkt immer wieder einiges von seinem Biß in Szenen, die in ihrer Zielrichtung etwas unklar bleiben. Sein Konzept ist diesmal nicht so geschlossen und zwingend, er verzettelt sich in unnötigen Detailschilderungen, die den Rahmen seines Films einfach sprengen, die fast einen eigenen Film ausmachen könnten, und verliert sein eigentliches Ziel, nämlich Mr. Bush selbst, zu oft zu lang aus den Augen. Natürlich sprechen zahlreiche Fakten für sich und natürlich kann Moore immer wieder punkten und sich der Lacher des Publikums versichern und natürlich steht man als vernünftiger Zuschauer voll auf seiner Seite, aber vielleicht kommt der Film insgesamt ein halbes Jahr zu spät in unsere Kinos, weil man zuviel einfach schon wußte, erst recht dann, wenn man wie ich bereits „Stupid white men“ oder dessen Nachfolger gelesen hat. Bei „Bowling for Columbine“ blieb mir manches Mal der Mund vor ungläubigem Staunen offen stehen. Dies ist bei diesem Film nicht geschehen, weil es zweifellos nichts mehr geben kann, das einen im Zusammenhang mit Bush und seinen Gehilfen überraschen oder gar schockieren kann. Insofern kann Moore schon konzeptionell nicht die Effekte erzielen wie sonst, und vielleicht ist es genau das, was diesem neun Film ein wenig fehlt.  Den Oscar für die „richtige“ Gesinnung hat er allemal verdient, aber bessere Filme, soviel ist klar, hat er auch schon gemacht. (19.8.)