Harry Potter and the Prisoner of Azkaban (H.P. und der Gefangene von Askaban) von Alfonso Cuarón. USA, 2003. Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Gary Oldman, David Thewlis, Alan Rickman, Tom Felton, Robbie Coltrane, Michael Gambon, Maggie Smith, Emma Thompson, Julie Walters, Timothy Spall, Julie Christie
Die Harry-Potter-Filme geraten, so fürchte ich, im Laufe der Zeit und mit fortschreitender Dauer der Serie, sofern sie denn überhaupt bis zum Schluß durchgezogen werden soll, in ein unausweichliches Dilemma. Das hat zum Teil mit dem problematischen Alter der Jungdarsteller zu tun, wenn die Filmproduktionen nicht rechtzeitig nachkommen können, das hat aber vor allem mit den Büchern selbst zu tun. Die werden immer länger, immer komplexer, immer detaillierter und mithin immer schwieriger zu verfilmen, wenn man auch nur halbwegs im Rahmen kommerzieller Produktionen bleiben möchte, und daran ist natürlich nicht zu zweifeln. Die ersten beiden Bände ließen sich noch mit vergleichsweise geringem Substanzverlust übertragen, doch jetzt beim dritten mußte angesichts der vierhundertfünfzig Buchseiten schon recht deutlich verknappt werden, und die wirklich dicken Schwarten kommen ja erst noch: Die deutsche Ausgabe des vierten Bandes hat siebenhundertfünfzig, die des fünften schier endlose eintausendundnochwas Seiten. Und die sind bei Mrs. Rowling ja nicht gerade mit Ruhe und Kontemplation angefüllt, sondern ganz im Gegenteil mit überaus reichlich und rasant modellierter Aktion, üppigst wuchernder Imagination und einer nach wie vor bewundernswerten Fülle witziger und skurriler Einfälle und Gags. Kaum vorstellbar also im Rahmen der bisher üblichen Zweieinhalbstundenfilme, die die Aufmerksamkeitsfähigkeit des (oftmals viel zu) jungen Publikum sowieso schon bis an die Grenze fordern, doch scheint es im Hinblick auf die Rentabilität keine wirkliche Alternative zu geben. Viel länger können die Filme einerseits nicht sein, aber dann können sie andererseits den Büchern kaum noch gerecht werden.
Schon in diesem dritten Film wird der Zuschauer, der jüngere ab sechs sowieso, derart rasant und atemlos durch die Geschichte gescheucht, daß, wer das Buch etwa nicht kennt, schon wirklich sehr genau hinhören muß, um überhaupt noch zu erfassen, um was es im einzelnen geht. Die Spielzeit reicht gerade noch aus, um all die Actionhöhepunkte und Schauwerte halbwegs unterzubringen, zu mehr aber auch leider nicht. Die Dramaturgie ist wie schon gewohnt auf Dauerbeschuß eingestellt, die Atmosphäre zugegeben beeindruckend intensiv, sehr düster diesmal, sehr dicht und bedrohlich in blassen, kalten, harten Farben, und dazu gibt es einige Horrormomente, die das Attribut als Unterhaltung für die ganze Familie mehr als nur in Frage stellen. Folglich drohen die einzelnen Personen angesichts fast pausenloser, intensivster Spannung und einer ebenso pausenlosen Konfrontation mit erstaunlichen optischen Attraktionen einfach unterzugehen, sogar Harry und seine beiden Freunde. Das ist besonders schade, einmal weil gerade die heranwachsenden Kids sich langsam aber sicher zu interessanteren, eigenwilligeren, komplexeren Charakteren entwickeln und mehr Raum verdient hätten (den sie im Buch auch haben), zum zweiten weil sich hier einmal mehr eine absolut erlesene Schar erstklassiger Schauspieler tummelt, die ich einfach zu gern ausführlicher auf der Leinwand erlebt hätte. Statt dessen werden solch großartige Leute wie Gambon, Smith, Christie oder Thompson mit Kurzauftritten abgespeist, während sich Thewlis, Oldman, Rickman und Coltrane wenigstens ein kleines bißchen profilieren können. Wozu also derartig viele große Stars, wenn man sie nicht vernünftig einsetzen kann?
Dennoch möchte ich gar nicht leugnen, daß es sich hierbei dennoch um ein sehr gekonntes und hochgradig effektives Stück Entertainment aus der Traumfabrik handelt. Das Handling der Spezialeffekte ist immer wieder staunenswert (jedenfalls für alle, die darüber ins Staunen geraten!) und Regie und Produktion arbeiten sehr professionell. Daß da jetzt ein anderer Name bei der Regie auftaucht, fällt nicht weiter ins Gewicht, und ich für meinen Teil kann auch nicht finden, daß Cuarón jetzt im Vergleich zu Columbus irgendwelche ganz eigenen Akzente setzen kann, dazu sind die Grundregeln dieser Serie zu sehr festgeschrieben und geben individuellen Sichtweisen wenig Freiraum. Naja, so war’s halt mal wieder: Man ist für mehr als zwei Stunden ziemlich absorbiert und angenehm gruselig gefesselt, danach aber, wenn man das Ganze noch mal Revue passieren läßt, schleichen sich andere Gedanken in die Betrachtung ein. Die Kids aber finden das echt cool, und damit hat der Film wohl einen Großteil seiner Mission schon erfüllt. (6.6.)