Jeux d’enfants (Liebe mich, wenn du dich traust) von Yann Samuell. Frankreich/Belgien, 2003. Guillaume Canet, Marion Cotillard, Thibault Verhaege, Josephine Lebas-Joly
Die Idee des Films ist einfach toll: Ein Junge und ein Mädchen, die sich als Schulkinder anfreunden und gegen allen Unbill und alle Anfeindungen der Welt drumherum einen unverbrüchlichen Bund fürs ganze Leben schließen. Eine Spieldose fungiert dabei als Pfand für die jeweils laufende Wette, immer stellt der eine dem anderen eine Aufgabe, und wenn die Aufgabe erfüllt wurde, wandert die Dose wieder weiter. Sophie hat polnische Eltern, wird ihres Namens wegen allgemein verstoßen und schämt sich ihrer Elternwohnung im tristesten sozialen Ghetto. Julien kommt aus besserem Haus, doch das hilft ihm nichts – die geliebte Mutter stirbt früh an Krebs, der verbitterte, strenge Vater kann zu seinem Sohn keine emotionale Beziehung aufbauen und bleibt ihm für immer fremd, zumal er auch Juliens Freundschaft mit Sophie nicht toleriert. Die beiden Kinder stehen zu ihrer gesamten Umwelt generell auf Konfrontationskurs - sie hecken in der Schule die irrwitzigsten Streiche aus, scheren sich um keine Strafe und halten sich aneinander fest in der sicheren Gewißheit ihrer gegenseitigen Solidarität. Diese Spielregeln werden sich niemals ändern, nur die Vorzeichen natürlich, denn als die beiden erwachsen werden, kommen plötzlich ganz andere Dinge ins Spiel, und im Laufe der Zeit werden die Prüfungen und Aufgaben immer drastischer, die Provokationen immer extremer, und vor allem geht’s dann auch um das Thema Liebe, und spätestens dort hört der Spaß bekanntlich auf.
Auch das Motiv der amour fou hat für mich immer noch einen sehr großen Reiz, und es gibt einige Passagen in diesem recht ungewöhnlichen und originellen Film, die die Möglichkeiten dieser Konstellation erkennen lassen: Zunächst zwei Kinder, die sich verbünden gegen eine spießige, gemeine und langweilige Welt, später dann zwei junge Studenten, die mit der Erotik flirten, aber sich nicht recht trauen, und dann schließlich die Erwachsenen, deren Spiele schon ziemlich unter die sprichwörtliche Gürtellinie gehen, die es noch immer nicht schaffen, einmal aus dem Spiel auszubrechen und sich ihre Liebe ganz direkt zu gestehen, die lieber Hochzeiten um ein Haar platzen lassen, einander zu Tode erschrecken und am Ende alle Ehen und Beziehungen draufgehen lassen, um sich gemeinsam, fest umschlungen, einbetonieren zu lassen. Obwohl ich eigentlich an diesem Abend eher romantisch veranlagt war und mir ein nettes Ende gewünscht hatte, muß ich zugeben, daß gerade der offene, vieldeutige Ausgang dem Konzept der amour fou am besten gerecht wird. Bis zuletzt gibt es keine Sicherheiten, keine Bequemlichkeiten, keine Eindeutigkeiten. Vielleicht sind die beiden wirklich im Fundament gemeinsam gestorben, vielleicht sind sie aber auch gemeinsam alt geworden, wie ebenfalls angedeutet wird – zwischen Wahrheit und Fantasie, Spiel und Realität pendelt die Geschichte ständig hin und her, nichts ist unmöglich, alles kann geschehen, und was auch immer geschieht, es geschieht nur so, wie diese beiden es wollen, und ihre Wünsche und Fantasien nehmen keinerlei Rücksicht, auf nichts und niemanden. Hier findet sich schon ein wichtiges Element der amour fou, die beiden Liebenden, die sich über alle Regeln und Konventionen hinwegsetzen und nur ihrem Willen folgen. Allerdings ist das mit der Liebe bei Sophie und Julien ja eher relativ, und so gesehen fehlt wieder etwas, denn der ganz konkret körperliche, erotische Aspekt bleibt zwischen ihnen weitgehend unerfüllt und angedeutet.
Es gibt also viele Ideen und Momente, die mir gut gefallen und die mich gut unterhalten haben, im ganzen gesehen jedoch finde ich, daß der Film manchmal ein bißchen übertreibt, ein bißchen zu sehr verliebt ist in seine Erfindungen und Gags, sich zu häufig in die Pose einer rasanten Nummernrevue zurückzieht und damit auch ein Stück weit in die Beliebigkeit, und was dabei leider herauskommt ist, daß Sophie und Julien manchmal zu Comicfiguren oder Marionetten degradiert werden, statt richtige Menschen zu sein, obwohl die jeweiligen Schauspieler wunderbar sind. Gerade weil ich die Ausgangsgeschichte so faszinierend finde, hätte ich mir ein wenig mehr Verbindlichkeit und, auf eine gewisse Weise, Ernsthaftigkeit gewünscht. (18.8.)