Lost in translation (#) von Sophie Coppola. USA, 2003. Bill Murray, Scarlet Johansson, Alessandro Nivola
Die Geschichte zweier schlafloser Fremder im Riesenmoloch Tokio, ein Schauspieler, der sich für sehr viel Geld als Whiskywerber verkauft und eine junge Frau, die nur mit ihrem Mann, einem umtriebigen Fotogafen hergekommen war in der Hoffnung auf etwas gemeinsame Zeit. Genau diese Hoffnung erfüllt sich natürlich nicht, weil der Gute von einem Termin zum anderen hetzt, und folglich kommen sich die beiden Landsleute ein wenig näher, ziehen gemeinsam nachts durch Kneipen und ominöse Szenetreffs, durchleiden gemeinsam ihre notorische Schlaflosigkeit und amüsieren sich gemeinsam über die mannigfaltigen Skurrilitäten japanischer Lebensart. Dabei kommen sie sich schrittweise näher, werden zu Verbündeten, zu Freunden, und am Schluß dann stellt sich immer drängender die Frage, was nun eigentlich zwischen den beiden werden soll. Aber da ist er schon fast auf dem Weg nach Haus zu Weib und Kind.
Diese Momente sind die schönsten und intensivsten im Film. Die Blicke, die einerseits deutlich Sehnsucht und tiefere Zuneigung signalisieren, aber andererseits die Unfähigkeit der beiden, den entscheidenden Schritt zu tun, die entscheidenden Worte zu finden, die eine Geste, die eine Annäherung, die der andere schon lange erwartet. Während er noch unentschlossen und etwas verstockt mit seiner längst entfremdeten Frau telefoniert und sich über eben diese Entfremdung völlig im Klaren ist, aber auch nicht den Mut findet, etwas Neues zu wagen, scheint sie ihre Gefühle schon früher ausgelotet zu haben, ohne allerdings die entsprechenden Taten folgen zu lassen. Und so bleibt dieser unausgesprochene Zustand in einer reizvollen und sehr gefühlvoll dargestellten Schwebe, bis er ihr ganz zuletzt, kurz bevor das Taxi wegfährt, noch etwas ins Ohr flüstert und wir nun darüber spekulieren dürfen, was das wohl gewesen sein kann. In diesen Momenten spielt auch Murray besonders gut, der ansonsten mit einer versteinerten Bittermiene herumläuft, ewig ein wenig herablassend auf die wuseligen, exzentrischen Einheimischen blickt und allgemein mit sich und dem Leben nicht recht im Reinen ist. Dieser Zustand wird aber kaum variiert, die Figur bleibt recht eindimensional, und die Gags, die man eigentlich dauernd von Murrays erwartet, wollen sich auch nicht einstellen. Scarlet Johansson gibt ihrer Figur sehr viel Frische und Gefühl, es macht Spaß, ihr zuzusehen, wie sie mal mit Neugier, mal mit Skepsis, mal mit amüsierter Überraschtheit durch Tokio streift, die neuen Eindrücke in sich aufsaugt und gleichzeitig versucht, ihre eigene Unzufriedenheit und Einsamkeit zu überspielen. Was anfangs wie ein lockerer Urlaubsflirt in der Fremde zwischen zwei sehr verschieden alten Landsleuten beginnt, entwickelt sich eher im Verborgenen zu einer ehrlichen, tieferen Zuneigung, auch gerade weil die beiden einige recht abenteuerliche Situation durchzustehen haben. Sofia Coppola hat den Clash der beiden Kulturen mit viel Humor und von ihrer Seite ohne jede Herablassung eingefangen, so daß wir einen sehr eindringlichen Eindruck davon erhalten, wie das sein muß, mit einem andauernden Jet Lag in einem ganz fremden Land mit fremder Sprache, unverständlichen Sitten und Gebräuchen und für westliche Begriffe recht merkwürdigen Bewohnern zurechtkommen zu müssen.
Und so ist dieser Film auf jeden Fall jederzeit ungewöhnlich und originell, sehr feinfühlig und schön inszeniert und gespielt, auch wenn ich für meinen Teil sagen muß, daß er mir nicht immer gleich nahe gekommen ist und vielleicht die eine oder andere Länge zu verzeichnen wäre. Unterm Strich nicht ganz so gut wie Coppolas fabelhafter Erstling von den Virgin Suicides. (4.2.)