Luther (#) von Eric Till. BRD/USA, 2002. Joseph Fiennes, Peter Ustinov, Mathieu Carrière, Alfred Molina, Jonathan Firth, Bruno Ganz, Uwe Ochsenknecht
Ich bin theologisch nun alles andere als bewandert, habe mir aber von ausgewiesenen und kritischen Fachleuten bestätigen lassen, daß der Film bei allen zugegebenen Konzessionen an die Kasse durchaus inhaltliche Substanz hat. Das muß ich erst mal so glauben, denn über Luther weiß ich wirklich herzlich wenig, finde aber auch, daß der Film Luthers Anliegen und den dramatischen Konflikt, den er damit hervorrief, sehr klar und deutlich herausarbeitet: Seine Kritik an Ablaßwesen, am selbstherrlichen, autoritären, dekadenten Auftreten der katholischen Kirche, die seiner Meinung nach nicht mehr der wahre Repräsentant des christlichen Glaubens ist, erst recht nicht in der Verkörperung des Papstes, der nur an seiner Macht und an machterhaltenden Intrigen interessiert ist. Selbst unter Androhung der Inquisition mit ihren furchtbaren Folgen widerruft er seine Thesen, die er einst an die Wittenberger Kirche nagelte, nicht, stattdessen flieht er in ein Versteck, übersetzt die Bibel ins Deutsche und macht sich damit endgültig zum Sprachrohr und Anwalt des sogenannten einfachen Volkes. Er möchte die Religion, so wie sie seiner Ansicht nach gelebt werden soll, herunterholen vom hohen Roß der kirchliche Liturgien und Riten, möchte wieder jeden einzelnen Menschen bei seiner eigenen Verantwortung für sein Leben greifen, statt es dem per Ablaß erkauften Wohlwollen der Kirchenfürsten zu überlassen. Nicht nur provoziert er die hohen Herren in Rom durch seine frechen Schriften und Reden, er entfacht darüber hinaus regelrecht eine Volksbewegung, die Spaltung der Kirche droht. Die Aufregung der Machthaber ist also ganz verständlich und die ergriffenen Mittel sind entsprechend drastisch – die ländliche Bevölkerung wird rücksichtslos dahingeschlachtet, die Scheiterhaufen glimmen eifrig, die abtrünnigen Kurfürsten werden unter Druck gesetzt und Luthers Bücher brennen auch. Die Geschichte lehrt uns, daß der ganze Aufwand nutzlos war, die Kirche spaltete sich tatsächlich, und mit der Kirche gleich die halbe Welt.
All dies wird uns in durchaus verständlicher und auch noch ziemlich unterhaltsamer Form dargeboten, prächtig kostümiert und ausgestattet, solide inszeniert, und immer achtet Herr Till darauf, daß das Spektakel nicht das Wort und die zentralen Konflikte zudeckt. Dies ist schon aller Ehren wert und sollte nicht als Selbstverständlichkeit gewertet werden. Joseph Fiennes bietet als Luther eine fabelhafte Leistung, spielt enorm gefühlvoll und sympathisch und eignet sich daher bestens als Identifikationsfigur, während Ustinov und Ochsenknecht meiner Ansicht nach der Seriosität der Angelegenheit nicht ganz gerecht werden und ihre Auftritte eher zu eitlen kleinen Kabinettstückchen umfunktionieren wollen. Diese Neigung hatte Ustinov immer schon, und auch mit über achtzig kann er leider nicht davon lassen. Trotzdem ist dies ein Film, der Unterhaltung und historisch sehr spannende Lektionen geschickt kombiniert, ohne einen der beiden Aspekte zu vernachlässigen. Geschichte für alle wenn man so will und zwar ziemlich gut gemacht. (6.2.)