Los lunes al sol (Montags in der Sonne) von Fernando León de Aranoa. Spanien, 2002. Javier Bardem, Luis Tosar, Nieve de Medina, José Angel Egido, Celso Bugallo, Aída Folch, Laura Dominguez, Joaquín Climent, Enrique Villén
Nach den Alten sind natürlich auch Arbeitslose so eine Randgruppe, die nicht unbedingt fürs Mainstreamkino taugt. Elend und Depression verkaufen sich halt nicht sonderlich gut, schon gar nicht in diesen harten Zeiten, wo ein jeder am liebsten nur noch unterhalten und nicht auch noch im Kino an den öden Alltag erinnert werden will. So hört man immer wieder gern und häufig, aber frage ich mich, ob nicht der eine oder andere doch seine Meinung ändern täte, wenn er solch wunderbare Filme wie diesen hier sieht, der es genau wie der tschechische von eben fertigbringt, ganz ernsthafte, essentielle, bewegende und auch traurige Dinge so auszudrücken, daß man am Ende nicht niedergeschlagen und frustriert aus dem Saal rennt, sondern sich eher im Gegenteil irgendwie bestärkt fühlt, denn dies ist vor allem ein Film der großen Solidarität, so wie es sonst hauptsächlich die Engländer können.
Solidarität mit den arbeitslos gewordenen Hafenarbeitern im nordspanischen Vigo, wo wie überall sonst auch die großen Werften zusammenbrechen, die Männer auf die Straße fliegen, dort vielleicht noch ihrem ohnmächtigen Zorn handgreiflich Ausdruck verleihen, nur um dann auch noch die Knüppel der Staatsmacht zu spüren zu bekommen. Wie geht es dann weiter? Man hängt herum, montags schon in der Sonne, abends in den Kneipen, lang und länger, trinkt immer ein bißchen mehr als nötig, manche auch soviel, daß schon die merkwürdigen Geschichten im ihrem Kopf hochkommen, man versucht mit der Erniedrigung fertig zu werden, auch vor der Ehefrau, erst recht wenn die vielleicht noch einen Job hat und damit zur Ernährerin geworden ist, während man selbst tatenlos, ohnmächtig und mit bohrend schlechtem Gewissen daneben steht und zusehen muß. Man versuch den Termin für den Bankkredit durchzustehen, doch der Stolz ist stärker, man versucht, sich wieder zu bewerben, doch da sind hundert jüngere und fittere, und man läuft vorzeitig hinaus, bevor erneut die Ablehnung kommt. Kurz, man schlägt die Zeit tot und hofft oder wartet eigentlich auf gar nichts, denn keiner der Männer hat ernsthafte Aussichten auf einen anderen Job, und die meisten bemühen sich auch erst gar nicht mehr darum, versuchen nur noch, ihre Resignation und Tatenlosigkeit zu kaschieren. Schließlich endet einer von ihnen im Selbstmord, einer bändelt vorsichtig mit einer Frau an und ein anderer wieder kommt gerade noch so um die Trennung seiner Ehe herum, weil die Frau es ganz einfach nicht übers Herz bringt, ihn zu verlassen.
Dies alles wird mit soviel Ruhe und intensivem Gefühl dargestellt, daß ich wirklich gern von einem sehr menschlichen Film spreche. Die Szenen sind schmerzhaft real und beschönigen weißgott nichts, zeigen aber andererseits eben diese Solidarität, eine Art Barmherzigkeit und Mitgefühl, die nur den besten Sozialstudien dieser Art innewohnen. Für Humor ist jederzeit Platz, denn ohne ginge alles den Bach runter, doch immer wieder sieht man zwischendurch in die Abgründe, sieht die Hilflosigkeit und Verzweiflung in den Gesichtern, die Mutlosigkeit, die die Männer zu oft flüchten läßt, wo sie sich einer Situation stellen müßten, wie etwa in der Bank oder bei der Bewerbung. In diesen Momenten versteht man den Frust der Ehefrauen, aber auch die Gefühle der Männer, die von der Arbeitslosigkeit so tief im Selbstwertgefühl getroffen wurden, daß sie nicht anders handeln können. Der eine findet dann Zuflucht zu sarkastischen Sprüchen, der andere bewirbt sich auf Jobs für Fünfundzwanzigjährige, obwohl er schon doppelt so alt ist, mal gibt’s eine ungute Mischung aus Stolz und schwer zu zügelndem Temperament, mal den melancholischen, depressiven Kneipenhocker, der von siamesischen Zwillingen erzählt und schließlich aus dem Fenster springt. De Aranoa läßt sich Zeit, gibt den wunderbaren Darstellern viel Raum, erzählt ausführlich aus dieser Hafenstadt, deren Existenz steht und fällt mit dem Schicksal der großen Werften, und hat es geschafft, daß dieser Film, obgleich ja nun wirklich nicht viel Aufregendes geschieht, niemals langatmig oder leer wird. Wie gesagt, dies ist großartiges Sozialkino, universales Kino im besten Sinne, denn ganz egal, ob es nun aus Spanien oder sonst woher kommt, die hier gezeigten Geschichten und Schicksale könnten sich überall zutragen. (12.2.)