Muxmäuschenstill von Marcus Mittermeier. BRD, 2004. Jan Henrik Stahlberg, Fritz Roth, Wanda Perdelwitz

   Noch so ein Fall von wegen tolle Idee aber eher flaue Umsetzung. Schade, denn der Ausgangspunkt verspricht eine Sozial- und Mediensatire vom feinsten: Mux ist ein Mensch von hohen moralischen Ansprüchen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Berlin und Umgebung für mehr Ordnung zu sorgen, und zwar nicht einfach durch drakonische Strafen (die hat er aber auf jeden Fall auch in petto!), sondern auch, indem er die Sünder (Ladendiebe, Schwarzfahrer, Geschwindigkeitsübertreter, Falschparker, Grafittisprayer und dergleichen) zu mehr Verantwortung für sich und die Mitmenschen erzieht und ihnen damit wieder ein Gefühl von Stärke und Stolz zurückgibt. Diese Mission hat zeitweise die Ausmaße eines religiösen Wahns, zumal Mux sie mit absoluter Kompromißlosigkeit und finsterer Entschlossenheit verfolgt. Er engagiert sich zunächst einen ersten Helfer, einen arbeitslosen Loser, von dem er bedingungslosen Gehorsam voraussetzen kann, und später baut er einen ganzen Apparat auf, ein Netz von Informanten, die ihm Gesetzesübertretungen aus allen Bereichen Berlins und Brandenburgs zutragen, weil Mux allein das selbst auferlegte Pensum nicht mehr bewältigen kann. Sand ins Getriebe kommt erst, als er ein junges Mädchen kennenlernt, das sich seinen Plänen und Vorstellungen nicht fügt und ihm zum ersten Mal die grenzen seiner Macht aufzeigt. Er erschießt sie, geht mit seinem Kompagnon zunächst nach Rom, um dort zu missionieren, und stirbt dort, als er einen Schnellfahrer stoppen will.

   Der erwähnten Sand im Getriebe vom Herrn Mux ist zugleich auch Sand im Getriebe des gesamten Films, denn was bis dorthin eine rabenschwarze Pseudodoku ist, die einem immer wieder das Kichern in den eigenen Rachen stopft und in ihrer Grenzwertigkeit provokativ und zugleich höchst unterhaltsam ist, gerät mit dem Auftauchen der jungen Dame unweigerlich ins Stocken, fügt zwar dem Machtfanatismus des Herrn Mux noch eine private Dimension hinzu, verliert aber zugleich beträchtlich an Witz und hinterläßt am Schluß eine eher schale Betroffenheit, die auch nicht dadurch aufgelöst wird, daß der Missionar selbst an seinem Eifer stirbt. Nach cirka der Hälfte der Spieldauer gehen dem Film leider die Ideen aus, die sowieso rudimentäre Handlung wird sprung- und lückenhaft entwickelt, beträchtliche Längen stellen sich ein. Zugegeben ist die erste Hälfte zum Teil sehr gut und deutet an, was aus dem Film hätte werden können: Wie Mux die Täter, die unversehens zu Opfern werden, stellt, sie vor ständig mitlaufender Kamera demütigt, drangsaliert, zum Teil mit massiver Gewalt bedroht, könnte ein verzerrtes Abbild unserer eigenen geheimsten Wünsche sein, denn wie oft hat man nicht auch düstere Haßgedanken auf bieder-schleimige Kinderpornogucker, Arschgeigen, die ihre Köter rücksichtslos irgendwohin kacken lassen, blindwütige Raser, der eigene und andere Leben gefährden und andere nette Zeitgenossen. Stellvertretend für uns nimmt Mux sie sich vor, dreht den Spieß um, gebärdet sich als Rächer der aufrechten, ehrlichen Gesellschaft, die zu repräsentieren er jedenfalls vorgibt. In dieser Konstellation, in diesem Doppelspiel, in dieser raffinierten satirischen Konstruktion steckt sehr viel Potential, das der Film zu Beginn zumindest ansatzweise ausspielt, und das auch sehr unterstützt wird durch die brillante Darstellung des Herrn Mux. Doch ist zunächst mal der Tod der Identifikationsfigur (ob nun im positiven oder negativen Sinne ist dabei egal) nur unter bestimmten, hier nicht erfüllten Voraussetzungen eine gute Idee (hier zerstört sie einen großen Teil der satirischen Wirkung), und zum zweiten muß solch ein Film sein Thema fest im Griff haben, weil er sonst in Beliebigkeit zerfasert und uns am Ende nur noch ärgert. Ich fürchte, letzteres hat sich hier ereignet, zumindest was mich betrifft. Wie gesagt: Schade drum. (6.9.)