Open Range (#) von Kevin Costner. USA, 2003. Robert Duvall, Kevin Costner, Annette Bening, Michael Gambon
Vor einem reichlichen Jahrzehnt hat uns Costner mit seiner großen Indianeroper und ihren grandiosen Bildern kurzzeitig mal die Augen geöffnet und uns ein damals ganz ungewohntes Kinoerlebnis beschert – richtig tolle Bilder in richtig Breitwand. Western taugen grundsätzlich für so was, egal, was man sonst von ihnen hält, und offenbar hatte Costner nun mal wieder das Bedürfnis nach diesen offenen, weiten Landschaften, dem Fehlen jeglicher Betonghettos und asphaltierter Straßen, nach einer Welt, in der die einzigen Lärmquellen blökende Rinder und ballernde Revolver sind. Er hat diesen neuen Film zwar nicht ganz so breit und episch angelegt wie den anderen, und sein genereller Anspruch dürfte auch ein gutes Stück darunter liegen, aber immerhin hat er wieder diese wunderbaren, atmenden, windrauschenden, grasig-grünen Bilder, die man als entfremdeter Stadtmensch in sich einsaugt und gar nicht mehr aus dem Kopf herauslassen möchte. Insofern kann ich sagen, daß meine Erwartungen vollauf erfüllt wurden.
Andererseits aber bin ich auch recht irritiert, kann nicht übersehen, daß der Film eine geradezu penetrant konservative Attitüde an den Tag legt, so als habe sich Costner in diesen schweren, verwirrenden Zeiten auf die alten, archaischen Werte amerikanischer Gründertage besonnen und sie mit vollem Ernst im 21. Jahrhundert wieder hervorgekramt. Ein paar klassische Westernmotive fliegen uns förmlich um die Ohren: Da hat es ein Unhold auf meinen Besitz abgesehen? Und was tue ich da als aufrechter Amerikaner? Versuche ich etwa, den Konflikt zu vermeiden, die gewaltsame Konfrontation zu umgehen? Mitnichten, ich raffe meine Schießprügel zusammen und trage die Sache auf offener Straße aus. Das sieht der Amerikaner, und erst recht ihr aktueller Präsident, auch heut noch gern, scheint mir. Da wird auch gar nicht lange diskutiert und lamentiert, da geht es zügig zur Sache. Costner baut den Konflikt zwischen den umherziehenden Cowboys und dem etablierten, mächtigen Viehzüchter (auch so eine Stereotype) so rasch und unvermittelt auf, daß man ständig denkt, irgendwas anderes muß doch noch kommen, aber nein, der Film konzentriert sich bei aller Länge von gut über zwei Stunden nur auf einen Schauplatz, auf eine Situation. Auch die Mannsbilder hier sind wie aus dem Bilderbuch: Kernige, wortkarge Kerle, natürlich mit einer Vergangenheit, über die man natürlich unter Männern nicht viel Worte macht. Aber irgendwann kommt’s dann doch mal raus und gleich offenbaren die harten Jungs ihre Verletzlichkeit, was sie dann wiederum interessant macht für die Frauen. Die werden hier repräsentiert von der Arztschwester, einer bereits angejahrten Dame, die sich aufbewahrt hat für den einen und auch bereit ist, auf ihn zu warten, wenn auch nicht für immer. In einer ziemlich langen Ansprache macht sie ihm frühzeitig klar, daß er nicht ewig von sich und seinen Problemen davonlaufen kann, daß er irgendwann einmal seßhaft werden, sich stellen muß. Und so läuft’s natürlich dann auch. Daß er die Leute zuvor im satten Dutzend totschießt, scheint da nicht weiter zu stören, denn sie hat seinen weichen, guten Kern längst entdeckt. So wünscht man sich allgemein die Ladies, gell? Tatsächlich ist dies eine Rolle wie aus einer ganz anderen Zeit, und obwohl ich Annette Bening immer wieder und in diesem Film besonders reizvoll und attraktiv finde, springen mir doch die altbackenen Rollenklischees in dieser Geschichte förmlich ins Gesicht. Zwar gibt es zwischendurch einige Kostproben jenes wirklich schönen Humors, der auch den ersten Costner-Western auszeichnete, doch kann er diesmal das ernste Geschehen nicht entscheidend untergraben und auch nicht Costners Absicht, keine guten Helden in allen Belangen über das Böse obsiegen zu lassen. Die naive Gegenüberstellung von Gut und Böse ist hier ebenfalls frappierend, um so mehr, als man wirklich gar keinen Anhaltspunkt dafür findet, daß Costner nicht alles ganz ernst meint. Manchmal wird es auch schon fast komisch: „Ich wißt es vielleicht noch nicht, daß es für einen Mann manchmal Dinge gibt, die schlimmer sind als der Tod,“ brummt unser Held, bevor er aus dem Saloon stapft und eine staunende Menge zurückläßt. Sowas darf eigentlich nur noch in Parodien vorkommen, aber davon kann hier keine Rede sein.
Die Schauspieler sind allesamt sehr sympathisch und gut, sind aber auch nur Gefangene ihrer teilweise allzu schematischen Rollen. All das ist schon etwas schade, denn ich war mit dem festen Vorsatz ins Kino gegangen, mich mal wieder gut und spannend unterhalten zu lassen, ein paar schöne Landschaftspanoramen zu genießen und vielleicht weinen netten kleinen Showdown mitzuerleben. Nun der Showdown ist zweifellos gelungen, sehr grimmig und ohne technischen Firlefanz, endlich mal wieder eine schöne Ballerei unter freiem Himmel. Die Landschaften sind, wie schon gesagt, große Klasse, nur legt sich der Hauch des Reaktionären über das Projekt im ganzen, und wenn ich Costner nicht grundsätzlich mißverstehe, so habe ich damit doch meine Probleme. (3.2.)