Rot und Blau von Rudolf Thome. BRD, 2002. Hannelore Elsner, Serpil Turhan, Hanns Zischler, Karl Kranzkowski, Adriana Altaras, Nicolai Thome, Joya Thome, Bastian Trost

   Rudolf Thomes Filme sind irgendwie cool. Nicht mal unbedingt inhaltlich, aber allein durch die Tatsache, daß es sie überhaupt gibt, und zwar auch jetzt noch nach über fünfunddreißig Jahren. Die Cliptechnik hat sich verändert, die Zielgruppen haben sich verändert, die ganzen soziopolitischen und sonstigen Rahmenbedingungen auch, aber dieser Herr hat sich in Berlin irgendwo einen eigenen kleinen Kosmos erhalten, aus dem ab und zu dann mal eine Meldung an die Öffentlichkeit dringt. Zugegebenerweise ist nicht jeder Film gleich schön und interessant („Die Sonnengöttin“ beispielsweise war eine eher öde Angelegenheit), aber seine besten können nach meiner Ansicht problemlos mit den besten aus teutschen Landen allgemein Schritt halten. Dies hier ist einer der besten Filme von Thome.

   Ich habe gerade eine alte Besprechung von „Das Mikroskop“ von vor fünfzehn Jahren durchgelesen und könnte sehr viel davon auch für diesen Film übernehmen: Ein sehr französisch geprägter Sommerfilm aus Berlin, der sich jeglicher melodramatischer oder platter Effekte verweigert, dem es genügt, einer Handvoll Großstädter bei ihren größeren und kleineren Lebens- und Beziehungskrisen zuzusehen, der sich Zeit und Muße gönnt, sich treiben läßt mit Wärme, Sonne und Licht, höchstens mal ein paar märchenhafte Elemente einstreut und damit so leicht und selbstverständlich umgeht, daß sie mich trotz ihrer offensichtlichen Konstruiertheit kein bißchen gestört haben.

   Auch Hannelörsche Elsner bleibt diesmal angenehm an der Kandarre. Ihren etwas nervigen Solotrip „Mein letzter Film“ habe ich noch so im Hinterkopf, aber diesmal wird sie vom Ensemble aufgefangen, und angesichts der Tatsache, daß sie mit dem Alter irgendwie immer mehr zur Exaltiertheit neigt, ist das nötig und sehr gut so. Sie spielt Barbara, eine Architektin, die eigentlich was anderes werden wollte, akute Geldsorgen hat und allgemein mit sich und ihrem Leben nicht ganz im Reinen ist. Als dann plötzlich Ilka auftaucht, ihre bereits erwachsene Tochter aus einer früheren Beziehung mit einem Türken, und mit ihr auch noch ein geheimnisvoller Privatdetektiv, der sich als ihre erste große und verpaßte Liebe entpuppt, gerät sie zunächst noch mehr aus den Fugen, kann dann aber die Gunst der Stunde zu einem Großreinemachen nutzen und die Dinge wieder so in die Reihe bringen, daß jedermann zufrieden zu sein scheint.

 

    Thome traut sich solche Happyends noch zu, und auch die wirken unverkrampft und passen zum Film, viel eher als etwas Schweres und Tristes. Überhaupt hat er es bemerkenswerterweise geschafft, auf jegliche schmerzlichen Mutter-Tochter-Kisten zu verzichten, die sich hier bei der Story absolut aufgedrängt hätten. Ilka konfrontiert ihre zwanzig Jahre lang verschollene Mutter natürlich mit dem Vorwurf, sie einst allein gelassen zu haben, doch grundsätzlich geht es hier um Versöhnung, darum, aufeinander zuzugehen statt alte Rechnungen eins zu eins zu begleichen. Märchenhaft wird es dann, wenn Barbara plötzlich mit Geld und Geschenken überhäuft wird, so, als könne sie nun endlich alte, abgelegte Träume realisieren und zu einem Teil noch einmal anfangen. Ilka, deren verstorbener Vater ein umtriebiger, sehr erfolgreicher Geschäftsmann war, kommt mit einem Koffer voller Geld nach Berlin, den sie dann ihrer Mutter überläßt, und Samuel, der dem Mädchen bei Wohnungs- und Muttersuche hilft und auf mysteriöse Weise viele Verbindung und viel Wissen besitzt, schenkt seiner Jugendliebe einen Ferrari, damit sie endlich ihrer Liebe zu großen Geschwindigkeiten frönen kann. All dies hielte keiner streng realitätsorientierten Prüfung stand, aber Thome kümmert sich einfach nicht darum, integriert alle möglichen Kleinigkeiten in seinen Film, der so ein ganz bezaubernder Sommerfilm geworden ist, luftig, sonnig und leuchtend grün in Szene gesetzt zwischen Wannsee und einem schönen alten Gehöft draußen in der Uckermark, ganz entspannt und gelassen inszeniert und gespielt, wobei Leute wie Zischler und Altaras schön vertraute Gesichter in Thome-Filmen sind und für ein sehr familiäres Ambiente sorgen. Thome ist immer eher ein Frauenregisseur gewesen, den Frauen gilt eher seine Liebe und Zuneigung, während er Männer gern ironisch sieht. Auch hier stehen deutlich die Frauen im Zentrum (die Ilka ist eine außerordentlich graziöse Erscheinung und wird von der Kamera immer wieder staunend betrachtet), sie tragen den Film und die Männer sind nur Randerscheinungen oder Erfüllungsgehilfen. Aber all dies wird nicht mit großem Ernst behandelt, sondern mit einer wunderbar ausgewogenen Mischung aus zarter Komik und ernsteren Tönen. Ein rundherum schöner Film, der irgendwie aus der Zweit fällt, wie man so sagt, und der genau deshalb noch schöner ist. (25.3.)