La mala educación (Schlechte Erziehung) von Pedro Almodóvar. Spanien, 2004. Gael García Bernal, Fele Martínez, Daniel Giménez-Cacho, Lluis Homar, Francisco Boira

   Die letzten Almodóvar-Filme waren allesamt großartig und brachten die besondere Kunst dieses Regisseurs bestmöglich zur Geltung: Seine Fähigkeit nämlich, auf den ersten Blick schrille, groteske, kolportagehafte Stories so umzusetzen, daß daraus tatsächlich große, sehr berührende und bewegende Melodramen wurden, Filme mit viel Witz, Erotik, Vitalität und Gefühl. Dieser neue Film ist für mich so enttäuschend, weil er von den oben genannten Eigenschaften keine einzige hat, obgleich sich die Geschichte durchaus wieder dazu angeboten hätte: Ignácio, ein heroinsüchtiger Transvestit will sich an dem Priester rächen, der ihn einst in der Schule mißbrauchte, indem er ihn nun viele Jahre später mit der wahren Geschichte der Ereignisse zu erpressen versucht. Der Priester aber verliebt sich in den Juan, den jüngeren Bruder Ignácios, und zusammen hecken sie einen Mordplan gegen den Erpresser aus. Juan wiederum möchte als Schauspieler landen und verkauft diese ganze Story einem Filmregisseur, der mit Ignácio zusammen zur Schule gegangen war.

 

   Schon allein die extrem komplizierte Anlage der Erzählung, die ständig die Ebenen wechselt zwischen Gegenwart und unterschiedlichsten Vergangenheiten, hat mich eher irritiert als interessiert, denn nicht immer ist das Spiel mit Identitäten und Zeitzonen faszinierend. In diesem Fall verstellt es für mein Gefühl von Beginn an den direkten Zugang zu den Personen. Schon nach zwanzig, dreißig Minuten schlich sich bei mir der untrügliche Eindruck von Langeweile ein, und das zumindest ist bei Almodóvar etwas ganz Ungewohntes, selbst wenn nicht all seine Filme von gleicher Qualität sind. Das hier ist ein merkwürdig ernstes, düsteres, statisches Schwulendrama um Kindesmißbrauch, Drogensucht, Eifersucht, Selbstsucht, ständig wechselnde Identitäten und Gewalt, ein Drama, das sich allzu lang und schwer hinzieht, trotz der großen Anhäufung von Schicksal irgendwie kein Mitgefühl erzeugen kann, keine erwähnenswerte Dramaturgie aufweist und vor allem jene Liebe des Regisseurs zu seinen Figuren schmerzlich vermissen läßt, die seine Meisterwerke auszeichnet. Eher distanziert und eingetrübt läuft das Geschehen ab, ich habe niemanden hier gefunden, dem meine Sympathie hätte gelten können, habe demzufolge unbeteiligt und letztlich ein wenig angeödet im Kino gesessen, für mich bei Almodóvar eine ganz neue und sehr entbehrliche Erfahrung, denn unterhaltsam auf die eine oder andere Weise war’s bislang auf jeden Fall immer. Almodóvar fehlt hier jegliches Temperament, jeglicher anarchistische Witz und sein sonst so sicheres, schräg-romantisches Gefühl, kurz all das, was auch seine etwas gewöhnungsbedürftigen frühen und mittleren Filme immer noch auf die richtige Seite gerettet hat, einfach weil der Mann als Mensch und Filmemacher so entwaffnend direkt und vital durchkam. Hier verbirgt er sich hinter gekünstelten Konstruktionen und ungewohnt leblosen, matten Bildern, und auch die Schauspieler sind längst nicht so fulminant wie sonst, weil der Regisseur sie offenbar nicht gelassen hat. Almodóvar ist eindeutig dann am besten, wenn er sich und seinem unverwechselbaren Stil treu bleibt, und ich hoffe nun nicht, daß er auf seine älteren Tage anfängt, irgendwelche Ambitionen zu hegen, die er bitteschön anderen Leuten überlassen soll, denn ich hab ihn so wie er bisher war am liebsten. Dies hier ist von all seinen Filmen der unsympathischste – wie gesagt, eine ganz neue Erfahrung und eine, auf die ich herzlich gern verzichtet hätte. (11.10.)