Schultze gets the Blues von Michael Schorr. BRD, 2003. Horst Krause, Harald Warmbrunn, Karl-Fred Müller, Ursula Schucht, Hannelore Schubert

   Eigentlich mag ich Road Movies ganz gern. Man sieht Land und Leute, ist zusammen mit dem oder den Protagonisten in Bewegung, kommt in der Welt rum, und wenn es ein gutes Road Movie ist, gibt es ja neben der äußeren noch eine innere Handlung – oder so. Problematisch wird’s dann, wenn die äußere Handlung arg reduziert wird. Noch problematischer wird’s, wenn das auch für die innere Handlung gilt.

   So wie hier. Schultze aus Sachsen-Anhalt hört als frühzeitig in den Ruhestand geschickter Kumpel ein letztes Mal das schön-schaurige „Glückauf, der Steiger kommt“. Fortan müssen sich seine Kollegen und er in das Unvermeidliche schicken: Tristes Abhängen in der Kneipe, tristes Abhängen in der Datsche, tristes Abhängen zuhause, immer häufiger  Begräbnisse, und allein die Musik kann hin und wieder den Alltag retten. Da macht Schultze eines Tages eine wahrhaft revolutionäre Entdeckung: Man kann auf der ollen Quetschkommode auch den Blues spielen. Diese Entdeckung läßt ihn nicht mehr los, und er ruht nicht, bis er höchstselbst zur Wiege des Blues vorgedrungen ist, sprich in die Sümpfe Louisianas. Dort schippert er mit dem Boot herum, trifft alle möglichen schrägen Leute, und just zu den heißen Klängen einer Zydecoband haucht der gute Mensch aus Ossiland sein Leben plötzlich aus.

 

   Zunächst mal läßt sich ohne Wenn und Aber feststellen, daß der Film ausnehmend schön fotografiert ist. Die Bilder atmen Raum und Weite, sowohl hier wie dort, und ihnen gelingt es besonders vorzüglich, die Ödnis und Leere des Lebens der früh beschäftigungslos gewordenen Kumpel einzufangen. Da bedarf es keiner großen Erklärungen oder Dialoge, da genügt der starre Blick auf eine typisch ostdeutsche Antiidylle. Schultze und seine Kumpel sind entsprechend wortkarge, aber einander durchaus zugetane, liebenswerte Typen, was ebenfalls in wenigen, prägnanten Szenen zum Tragen kommt. Auch drüben in den Staaten finden sich einige originelle Begegnungen mit Eingeborenen, aber, und nun zu den Schwächen des Films, irgendwie kommt bei alledem nicht sehr viel rüber. Bei aller Liebe für ruhige, meditative, eigenwillige Filme stellte ich diesmal doch nach einer Stunde eine gewisse Müdigkeit fest, denn hier tut sich einfach viel zu wenig, tut sich bei Licht betrachtet fast gar nichts. Schultzes Kulturclash hätte Stoff für eine amüsante, liebevolle Hommage an beide Welten abgegeben, zuviel Zeit aber wird vertan mit, wie erwähnt, schön abgebildeter Leere. Immer wenn einzelne Episoden vielversprechend losgehen und durchaus irgendwohin führen könnten, enden sie einige Zeit später unweigerlich wider in Leere, es entsteht so keine Spannung, und trotz aller Sympathie für die Beteiligten auf Dauer auch nur wenig, das mein Interesse über fast zwei Stunden wach halten könnte. Zudem bleibt uns Schultze selbst leider ziemlichfern, was noch mal so schade ist, denn Horst Krause ist ein prima Typ und hat absolut das Zeug, um so einen Film auch allein zu schaukeln. Jedoch hört man ihn kaum reden, sieht man selten mal so richtig sein Gesicht, hat man wenig Anteil an seinem Innenleben. Nur ein großer, breiter, gemächlicher  und lieber Kerl, der nicht englisch spricht und immer beflissen seinen Hut zieht. Das ist mir auf die Dauer zu wenig, so wie der ganze Film auf die Dauer zu wenig ist. Das hätte nicht sein müssen. (5.5.)