Skagerrak (#) von Søren Kragh-Jacobsen. Dänemark/England, 2003. Iben Hjejle, Bronagh Gallagher, Martin Henderson, Ewen Bremner, Simon McBurney, Helen Baxendale
Waren eben noch für kurze Zeit die Männer im Zentrum der Betrachtungen zu sehen, so übernehmen hier die Girls wieder das Kommando: Sophie aus Schottland, derb und kernig, und Marie aus Dänemark, blond, hübsch aber auch ganz schön hart im Nehmen, gehen als Freundinnen buchstäblich durch Dick und Dünn, putzen auf Bohrinseln, arbeiten in der Fischverarbeitungsindustrie, kurz, schlagen sich in einer ziemlich rauhen Männerwelt durch und stranden schließlich mit einem hübschen Batzen hart verdientem Geld in einer schottischen Kleinstadt, um dort erst mal auszuspannen und ein bißchen Spaß zu haben. Dieser Spaß in Form von zwei Kerlen aus dem Pub, endet für die beiden böse, denn Sophie wird verdroschen und geht auch noch der Ersparnisse verlustig, während Maries schwarzer One-night-stand wenigstens noch zärtlich war. In die drohende Mittellosigkeit der beiden platzt ein recht unorthodoxes Angebot einer alteingesessenen Adelsfamilie vom Land: Marie soll, da die Dame des Hauses dies nicht zuwege bringt, einen Nachkommen austragen, also ein Leihmutter fungieren, und zwar gegen ein nicht zu geringeres Entgeld. Nach anfänglicher Entrüstung sagt sie auch auf Drängen Sophies zu, doch als die dann kurz darauf bei einem Autounfall tragisch stirbt, ist Marie allein mit ihrem dicken Bauch und ihren inneren kämpfen, und als sie dann auch noch nach Glasgow reist, um Sophies große Liebe Ken ausfindig zu machen, nimmt die Story noch einmal einen völlig neuen Verlauf.
Es geht überhaupt ziemlich bunt und turbulent zu in diesem Film, der (leider) nicht mehr im Dogma-Stil gedreht wurde (wo sind die Dogma-Filme denn bloß geblieben???) und der auf seine Art eine archetypische Tragikomödie darstellt. Der Zuschauer wird unentwegt hin- und hergerissen zwischen herzlichen und herben, komischen und traurigen Momenten in einem sehr gefühlvoll und dynamisch inszenierten Wechselbad der Emotionen, getragen von zwei großartigen Schauspielerinnen, die ihre denkbar unkonventionellen, etwas extrem aber mit sehr viel Herz angelegten Rollen mit tollem Einsatz und viel Ausdruck herüberbringen. Das Schicksal erweist sich für Marie und Sophie als sehr launische Diva, die ihnen einen ständigen Zickzackkurs zwischen Momenten der Freude und der Freundschaft und Augenblicken der Frustration, der Trauer und auch der Gefahr beschert, denn die Welt, in der sich die beiden bewegen, ist nicht grade eine herzliche, rücksichtsvolle, warme Welt. Die beiden kämpfen verbissen um etwas Glück, klammern sich, wie in Sophies Fall, gern auch an märchenhafte Tagträume, sind sich für nichts zu schade, verteidigen jedoch ihren Stolz und ihre Würde gerade als Frau sehr entschieden und entschlossen. Ihre Versuche, nach den Regeln der Männer zu leben, werden von denen mißverstanden und direkt übelgenommen, enden nicht selten mit Gewalt und Demütigung, genau wie Marie das Geschäft mit dem kinderlosen Adel trotz aller Verlockung als Demütigung empfindet. Die Begegnung mit Kens drei Kollegen aus der Autowerkstat in Glasgow bietet Gelegenheit, ein Männerkollektiv vorzustellen, eine schräge Mischung aus liebenswerten Losern und einem ehrgeizigen, letztlich aber zum Glück nicht konsequent bösartigen Typen, der Marie ihr Geld abjagen möchte. Das ganze Spiel wird noch um eine Verwirrung erweitert, als die drei einen Mann anheuern, der sich als Ken ausgeben soll (denn der ist längst tot), um Marie zu täuschen, und der sich prompt in die hochschwangere Dänin verliebt. Hier gerät die Erzählung gelegentlich ein wenig aus dem Rhythmus, wird jedoch weiter getragen von den guten Schauspielern und dem entschlossenen Versuch des Regisseurs, seine unberechenbare Außenseiterballade voller Wendungen und Pointen bis zum Schluß durchzuziehen. Wenn an diesem Schluß dann die annähernde, wenn auch nicht ganz so glamouröse Verwirklichung von Sophies altem Traum steht, wissen wir, daß Marie sich das mit bravourösem Kampf redlich verdient hat, denn soviel wie sie müssen modernen Heldinnen nicht oft durchmachen. Unterm Strich ist dieser Film künstlerisch sicherlich nicht so ambitioniert wie Kragh-Jacobssons früherer Beitrag zum Dogma-Kanon, aber innerhalb seiner Konzeption ist er, so finde ich, bestens umgesetzt worden. (24.5.)