The door in the floor (#) von Tod Williams. USA, 2004. Jeff Bridges, Kim Basinger, Jon Foster, Elle Fanning, Mimi Rogers

   Leider leider kenne ich John Irvings “Witwe für ein Jahr” noch nicht, kann also letztlich nicht beurteilen, wie denn diesmal die Umsetzung eines seiner typisch ausufernden Werke auf der Leinwand gelungen ist, höchstens ließe sich rein quantitativ feststellen, daß sich Autor und Regisseur Williams wie seine Vorgänger nur einen Teil des Buches herausgefischt hat, aber das müssen sie eben alle tun, um ein halbwegs handhabbares Projekt auf die Beine zu stellen. George Roy Hill und Lasse Hallström haben dies jeweils vortrefflich gemacht, während ich über Tony Richardsons „Hotel New Hampshire“ aus manchen Gründen sehr enttäuscht war und mir auch nicht vorstellen kann, daß sich meine Meinung  in der Sache geändert hat.

   Dies hier ist ein sehr ruhiges, äußerst intensiv und schön erzähltes Drama, das eigentlich nur um vier Personen kreist, genauer, um vier lebendige und zwei tote Personen. Eddie, ein junger Student, verbringt den Sommer draußen an der Küste bei dem bekannten Schriftsteller Cole, seiner Frau Marion und der kleinen Tochter Ruth. Der Junge kommt unversehens in eine sehr gespannte und gedrückte Atmosphäre, denn Cole und Marion sind in Begriff, sich zu trennen, und das Leben der Familie wird noch immer überschattet vom Unfalltod der beiden älteren Söhne, die noch vor Ruths Geburt starben. Marion ist seitdem in einer Art Paralyse versunken und Cole versucht sich mit betont lockerem Lebenswandel, holt sich für seine Zeichnungen unter fadenscheinigen Gründen Modelle ins Haus, um die dann nach allen Regeln der Kunst  zu benutzen und auch zu demütigen. Die kleine Ruth geht bei dem Egotrip der Eltern unter. Sie hat ihre Brüder nie gekannt, doch eine altarähnliche Fotogalerie überall im Haus fesselt sie genauso stark und führt sogar dazu, daß ihre seelische Balance davon abhängt, das jedes Bild immer genau an seinem gewohnten Platz ist. Eddies Ankunft bringt die Dinge erwartungsgemäß in Schwingung – er beginnt eine Affäre mit Marion, kann aber nicht verhindern, daß sie schließlich ihre Familie verläßt. Cole gibt den müden, gekränkten Macho, wird sich aber weiter mit anderen Frauen trösten und verschwindet am Schluß in jener geheimnisvollen Tür im Fußboden, die er in einer seiner Kindergeschichten verewigt hat.

   Der Film konzentriert sich sehr gekonnt und erfolgreich auf diese kleine Gruppe von Leuten, schafft eine eindringliche, von schönen Bildern untermalte Atmosphäre, und nach Art John Irvings wird daraus doch nie ein schweres, tristes Psychodrama, sondern eine durch diverse burleske Details und allerhand Launisches aufgelockerte Geschichte. Zum Schluß muß sich Cole in einer fast slapstickhaften Szene den wütenden Nachstellungen eines seiner weiblichen Opfer erwehren, und auch die finale Aussprache der beiden Männer (natürlich mit der Faust) sorgt für Komik. Dazwischen jedoch ist es teilweise ziemlich ernst und traurig. Jeff Bridges und Kim Basinger sind ganz hervorragend als Ehepaar, das sich über den Tod der beiden Söhne entfremdet hat, er als derjenige, der verdrängt, kompensiert, sie als diejenige, die in ihrer Trauer eingeschlossen ist. Ihre unsichere, holprige, introvertierte Körpersprache ist genauso eindrucksvoll und vielsagend wie die müden, starren Gesichter, die stumpfe Sprachlosigkeit. Mehr noch als die beiden rührt die Situation der kleinen Ruth (ebenfalls ganz toll gespielt von Elle Fanning), auf die das Trauma der Eltern übertragen wurde, die aber nun ihrerseits überhaupt keine Hilfe bei der Verarbeitung hat, ihren Alpträumen ebenso ausgeliefert ist wie ihrer Imagination, denn sie kannte die Brüder ja nicht einmal, und der depressiven Stimmung um sie herum. Mehr noch als die beiden Eltern also ist sie das Opfer, denn sie hat aus sich heraus keine Möglichkeiten, mit etwas fertig zu werden, an dem sie nicht einmal selbst beteiligt war, dessen Folgen sie aber Tag für Tag spürt. Die dicht an dicht allüberall aufgereihten Bilder müssen zusätzlich bedrückend für sie sein, da das Denken und Fühlen der Eltern allein um die toten Brüder zu kreisen und Ruth keinen Platz in diesem System zu haben scheint.

 

   Der ruhige, ernsthafte, filmisch sehr einfache Erzählton hilft auch über ein paar Klischees hinweg, die im Schreiben John Irvings häufiger anzutreffen sind: Zum Beispiel die erfahrene Frau, die sexuellen Einführungsunterricht gibt und damit all unsere Männerphantasien befriedigt oder die desaströsen, mit besonders gräßlichen Details ausgeschmückten Autounfälle (man denke auch an „Garp“). Andererseits findet man sich so als Irving-Kenner in dieser Kunstwelt leicht und gut zurecht, ich zumindest, und hatte dementsprechend auch kein Problem damit. Von allen bisherigen Irving-Filmen ist dies zweifellos der ruhigste, was aber den Vorteil bietet, daß die wenigen Personen hier viel Raum zur Entfaltung haben und nicht zu Marionetten im skurrilen Universum Irvings werden. Er ist in Sachen Temperament und epischer Ausbreitung nicht recht mit „Garp“ oder „Gottes Werk...“ vergleichbar, hat mir aber auf eine andere Art ebenso gut gefallen. (3.11.)