The Village (#) von M. Night Shyamalan. USA, 2004. Bryce Dallas Howard, Joaquin Phoenix, William Hurt, Adrien Brody, Sigourney Weaver

   Man konnte fragen, wen man wollte, einfach jeder fand diesen Film langweilig, öde, schlecht. Was hatten die bloß erwartet? Klar, ein nettes Horrorspektakel mit entsprechenden Effekten, Blut & Schocks en masse und alles natürlich zeitgerecht serviert, soll heißen in der heutzutage massenkompatiblen Clipästhetik. Na schön, so was hat der Film in der Tat nicht zu bieten, und obwohl ich die bisherigen Werke dieses komischen Typen auch nicht unbedingt für sonderlich herausragend halte, so läßt sich doch auf jeden Fall feststellen, daß der seinen eigenen Stil als Regisseur hat und einen angenehm eigenwilligen Geschmack als Autor, und das muß immer schon ml betont werden, weil es so selten geworden ist.

   „The Village“ ist ein ziemlich ungewöhnlicher Film, ein recht geschickt konstruierter Mix aus viktorianischem Grusel, Zivilisationsfluchtfantasie, möglicherweise sogar politischer Parabel und, logisch, einer Liebesgeschichte, die das ganze in Bewegung bringt. Zu Beginn wähnen wir uns im 19. Jahrhundert, in einem kleinen Dorf fernab der großen Welt, wo die Menschen friedlich miteinander, jedoch nach merkwürdigen Regeln leben. Um das Dorf herum brennen nachts Fackeln, Wachtürme stehen dort, und offenbar ist es verboten, die Farbe Rot zu tragen und vor allem, in den das Dorf umzingelnden Wald zu gehen. Dort hausen angeblich finstere Wesen, die Tiere häuten, Menschen angreifen und sich gern durch unheimliches Heulen bemerkbar machen. Man erfährt von den Menschen, daß sie alle jemand Nahestehenden durch ein Gewaltverbrechen verloren haben und nie mehr in einer Stadt leben wollen, daß sie einen Ältestenrat gebildet und sich mit den Wesen im Wald arrangiert haben. Diese hermetische kleine Welt wird aufgebrochen, als die blinde Ivy aus Liebe zu ihrem schwer verletzten Lucius in die Stadt gehen und dort Medikamente für ihn besorgen möchte, denn nur so kann sein Leben gerettet werden. Ihr Vater gehört zum Ältestenrat und er weiht sie in ihr Geheimnis ein: Die Wesen, die Bedrohung von außen, die die Gemeinschaft überhaupt erst zusammengeschweißt hat, sind lediglich eine Erfindung des Rates, um vor allem die jungen Leute bei der Stange zu halten, zu verhindern, daß sie doch eines Tages nach draußen in die Städte streben. Ivy macht sich auf den gefahrvollen Weg, und plötzlich klettert sie über eine hohe Mauer und wir finden sie wieder in der heutigen Zeit und verstehen langsam, daß sich diese Leute einst aus oben genannten Gründen und um der allgegenwärtigen Gewalttätigkeit des „modernen Lebens“ zu entfliehen, in einen riesigen Nationalpark zurückgezogen haben und dort unbemerkt nach archaischen Regeln leben, der modernen Zivilisation komplett entsagen wollen.

 

   Das ist ja mal eine interessante Idee für eine Story, und Shyamalan bringt sie uns auf raffinierte Weise Schritt für Schritt näher. Die wichtigste Pointe enthüllt er relativ früh, was an sich gar nicht verkehrt ist, doch hat er dann im letzten Viertel ein wenig Mühe, die Spannung auf dem zuvor hohen Niveau zu halten. Was aber eher zählt, sind Stimmung, Atmosphäre, sind die sehr schönen und ausdrucksvollen Bilder, ist der ruhige Erzählfluß und die schön irritierende Vermischung verschiedener Elemente. Schon die Fackeln und Wachtürme rund um das Dorf erinnern uns eher an eine Strafkolonie, während das religiös fundierte Gemeinschaftsgehabe der Bewohner an religiöse Fundamentalisten alter Couleur denken läßt. Die erfundenen Monstren, das künstlich erschaffene Feindbild zur Stärkung des eigenen Zusammenhalts, zur Schaffung einer Identität, sind ein fabelhaftes Bild für totalitär organisierte, hermetische Gesellschaften, wie es sie vor allem in der kommunistischen Welt zuhauf gibt oder besser gegeben hat. Man konstruiert eine ständige äußere Bedrohung, fälscht mit allen Mitteln die Beweise dafür, gaukelt den Jüngeren, Nachgeborenen eine Welt jenseits aller Realitäten vor und installiert dazu einen Ältestenrat, dem die uneingeschränkte Autorität zufließt. Dieser Unterton begleitet die Geschichte ständig, obgleich er eigentlich gar nicht zu dem eher romantischen Geschehen zu passen scheint, aber das ist nur eine von mehreren Finten, auf die man als Zuschauer hereinzufallen droht. Vieles kreist um erfüllte und unerfüllte Liebesbeziehungen, um Eifersucht und schließlich Gewalt aus Rache, und spätestens hier müssen die Ältesten einsehen, daß sie gegen gewisse menschliche Mechanismen leider machtlos sind und damit der Fortbestand ihrer kleinen Kolonie im Wald fragwürdig geworden ist. All dies wird vorzüglich gespielt und mit viel Sinn für wirkungsvolle Optik und wohl dosierte Gruselelemente erzählt. Wie gesagt geht dem Film ganz zuletzt ein wenig der Atem aus, vor allem Iyvs Begegnung mit der Neuzeit wird gänzlich verschenkt, der Rest aber kann sich durchaus sehen lassen als eine sehr originelle und gekonnt gestaltete Stilübung, soweit ich es beurteilen kann, bislang auch die gelungenste von Herrn Shyamalan. (29.9.)