Young Adam (#) von David MacKenzie. England/Frankreich, 2003. Ewan McGregor, Tilda Swinton, Peter Mullan, Emily Mortimer

   Im rußig-versmogten Glasgow der Fifties trägt es sich zu, daß zwei Kahnschiffer eine nur mit Unterrock bekleidete  Wasserleiche weiblichen Geschlechts im River Clyde finden. Joe, der jüngere ohne Bart schaut ein wenig bedröselt drein, und wir werden im Verlauf der weiteren Geschichte anhand vieler Rückblenden auch erfahren, warum: Er kannte die Frau, war mit ihr einige Zeit zusammen und hatte einst große Pläne – als Schriftsteller nach China und so. Stattdessen aber hat er sie verlassen und auf einem Kahn angeheuert, wo er sogleich seine nächste Eroberung machen wird, nämlich Ella, die Frau des Kapitäns Les. Der ist älter und mit Bart und die Frau knochig und frustriert und der Jüngere ohne Bart kann sie wenigstens eine Zeitlang befriedigen. Aber auch nicht für lange, denn dann kommt schon ihre Schwester und dann bald eine neue Untermieterin und so wird es vermutlich weiter gehen im Leben dieses gescheiterten Künstlers. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der toten Frau. Da wird ein anderer Mann des Mordes überführt und aufgehängt. Unser Künstler aber weiß es besser, es war nämlich nur ein Unfall, an dem er selbst beteiligt war, doch im Gerichtssaal findet er sich den Schneid, die Wahrheit zu offenbaren, sondern er schleicht feig von dannen und mag sich am Schluß nicht mal mehr im Spiegel ansehen.

   Eine gleichsam rußig-versmogte Ballade ist dies, und sie hat alle Vor- und Nachteile von Balladen eben. Einen sanft und träg dahinfließenden Rhythmus, getragen von David Byrnes angenehm dezenter Musik und den grauen und kalten Gewässern rund um die schmutzige alte Stadt mit ihren schmutzigen und alten Menschen drin. Und dazu dunkle, matte Bilder in dunklen, fahlen Farben und die sehr ausdrucksvollen Gesichter der hervorragenden Schauspieler, die ihre starken Charaktere voll ausspielen, jedenfalls so weit es das Gerüst der Story eben zuläßt. Soviel zu den Vorteilen des Films, und die sind bestimmt nicht geringzuschätzen. Dagegen stehen die Nachteile: Eine etwas melodramatische Konstruktion mit den klassisch altmodischen Themen solcher Balladen und der gleichmütige Fluß, der aber auch verhindert, daß sich hier irgend etwas setzt. Man läßt das geschehen wie den River Clyde an sich vorüberziehen, schaut durchaus aufmerksam zu, solange man auf gleicher Höhe ist, aber im Nachhinein wird relativ wenig bleiben. Die zahlreichen wortlos-nüchternen Geschlechtsakte in willkürlicher Örtlichkeit und Zusammensetzung nicht, auch nicht Ewan McGregors Schniedel, den er vielleicht zum Entzücken seiner Fangemeinde herzeigen darf. Eher schon sein mutloses, von vagen Schuldgefühlen gezeichnetes Gesicht oder die verhärmte, harte Maske von Tilda Swinton, die ihre markante Physiognomie wie immer mit großem Gewinn einzusetzen vermag. Diese Leute aber bleiben uns ein wenig fremd und fern, sie treiben vorüber, stumm und innerlich verhärtet in einer Atmosphäre ohne Wärme oder Zärtlichkeit, aber ich persönlich kann nicht behaupten, daß ich an ihrem Schicksal sehr großen Anteil genommen habe. Joe geht weiter seiner Vielweiberei nach, aber ohne sichtbare Freude, Ella rauft sich wieder mit Les zusammen, na ja und viel Wasser wird noch den Fluß runterfließen. Manch ein Folksong wird darüber noch gesungen werden, und nein, wer um alles in der Welt dieser geheimnisvolle junge Adam sein soll, habe ich auch nicht herausbekommen. Aber schlaflose Nächte werde ich deswegen wohl kaum haben. (12.12.)