2046 (#) von Wong Kar Wai. Hongkong/Frankreich, 2004. Tony Leung, Zhang Ziyi, Gong Li, Faye Wong, Takuya Kimura, Carina Lau, Maggie Cheung

   „Kult, Kult, Kult“, schreit die Gemeinde, und augenblicklich ist die Vorstellung doppelt so gut besucht wie jede beliebige andere. Erwartungsfroh hockt man sich nieder und harrt des neuesten Werks des hoch gelobten Filmemachers aus Hongkong, und reichlich verschlafen und ein wenig verwirrt erhebt man sich gut zwei Stunden später, blickt in die Runde, trifft allüberall auf gleichfalls verschlafene und leicht verwirrte Gesichter, und denkt sich, na Gott sei Dank bin ich heute abend nicht der einzige, der mit diesem Ding nicht so viel anfangen konnte, immerhin etwas, auch die Kultgemeinde hält sich mit ihrer Begeisterung sichtlich zurück.

   Woran mag das liegen? Hat Herr Wong diesmal seine unfehlbare Magie vermissen lassen, den oft besungenen Bilderrausch, die viel gepriesene Ekstase der Gefühle? Könnte ungefähr so sein, könnte auch sein, daß Wong diesmal außer ein paar gepflegten Impressionen nicht viel zu bieten hat, keine aufregende Story, keine faszinierende Meditation über Liebe oder Tod oder was auch immer. Obwohl es eigentlich dauernd um Liebe geht, oder besser gesagt um verhinderte Liebe. Ein Mann erinnert sich an die sechziger Jahre, an seine verschiedenen Beziehungen und weshalb sie letztlich scheiterten. Mißverständnisse, schlechtes Timing, Angst vor Bindungen und Gefühlen,  jedenfalls blieb nichts von Dauer, auch nicht die Bindung zu der einen Frau, die er vermutlich wirklich geliebt hat, und zurück bleibt elegisches Bedauern und die Projektion eines Schriftstellers, der sein alter ego in eine ferne Zukunft verreisen läßt, aus der es kein Zurück gibt, in der man nur von Erinnerungen lebt.

 

   Vielleicht soll das tiefsinnig sein oder melancholisch oder stilvoll oder auch poetisch und erotisch. Kann gut sein, daß sich viele Leute davon angesprochen fühlen, und die üblicherweise zu lesenden Elogen der Kritiker legen diese Vermutung nahe, ich aber für meinen Teil muß sagen, daß mich dieser Film ganz und gar nicht berührt hat, daß er mich im Gegenteil nicht wenig gelangweilt und durchgehend leicht befremdet hat. Wir sehen einige berückend schöne Frauen und einen charismatischen Mann und merken bald, daß hier einiges Potential zumindest für einen sogenannten knisternd erotischen Reigen liegt. Und natürlich ist es absolut unmöglich, sich der faszinierenden Ausstrahlung dieser Damen zu entziehen (ich spreche jetzt als Mann...), aber um so bedauerlicher finde ich es doch, wie wenig Wong damit eigentlich anfängt. Das Vage, Rätselhafte, Angedeutete hat auch vielerlei Reize, aber Wong schafft es irgendwie nicht, mich dafür zu interessieren, weil es mir so vorkommt, daß hinter all der vermeintlich vieldeutigen und vielversprechenden Fassade gar nichts steckt, daß alles hier nur fein gestylte Oberfläche ist, alles Pose. Sepiafarbene Interieurs aus den Sechzigern, Hochglanzfuturismus zwischendurch beim Ausblick in die Zukunft, dramatisch schwellende Musik, die ständige Ahnung von schicksalhaften Verknüpfungen und letztlich doch wenig von bleibendem Wert. Zu viel Unausgesprochenes mündet sehr häufig in Leere und Gleichgültigkeit, und wenn ich als Zuschauer gar nichts habe, an das ich mich halten könnte, schalte ich früher oder später einfach ab und das war’s dann. Vielleicht bin ich auch nur zu dumm, um die Tiefen und Feinheiten fernöstlicher Lebensbetrachtung zu kapieren, für mich ist das ganze ein wenig unverständlich, unverbindlich, leider nicht sehr ansprechend. Außer natürlich den wirklich tollen Frauen, aber die möchte ich zu gern mal alle zusammen in einem besseren Film erleben... (16.2.)