Agata e la tempesta (Agata und der Sturm) von Silvio Soldini. Italien, 2004. Licia Maglietta, Giuseppe Battiston, Emilio Solfrizzi, Marina Massironi, Claudio Santamaria, Giselda Volodi, Ann Eleonora Jørgensen

   Über die patente, lebensfrohe Buchhändlerin Agata bricht in der Tat ein veritabler Sturm herein, eigentlich gleich mehrere. Zunächst wird sie von einem jugendlichen Verehrer leidenschaftlich bedrängt und flugs erobert, und dann erfährt ihr Bruder Gustavo aus heiterem Himmel, daß er in Wahrheit das uneheliche Kind einer armen Landfrau ist, die ihn gleich nach der Geburt für einige zigtausend Lire an eine wohlhabende Familie verkaufte, wo er dann als Agatas Bruder aufwuchs. Diese Nachricht erschüttert den gut situierten Architekten dermaßen, daß er seine bisherige Familie (Frau und Sohn) und alles übrige hinterwegs läßt und raus aufs Land zieht zu seiner neuen Familie (Bruder Romeo und dessen gelähmter Gattin), um dort erst einmal zu sich zu kommen und herauszufinden, was er nun tun wird. Romeo seinerseits ist auch ein recht wilder Knabe, der mit schrillen Modekollektionen durchs Land zieht, keinem Flirt und dem, was danach kommt, aus dem Wege geht, und nun die Idee hat, daß Gustavo und er ein Joint Venture aufziehen sollen. Und so geschieht bis zum leider traurigen Schluß, da Romeo bei einem Autounfall stirbt, noch so einiges.

 

   Zunächst mal ist der Film überaus erfreulich, weil er unseren schlammgrauen und pißwarmen Pseudowinter erhellt mit sonnigen, freundlichen, herrlich südlichen Bildern und natürlich dem dazu gehörigen Temperament. Alles hier ist so italienisch, daß es wahrlich eine Freude ist, die üblichen liebevoll ironischen Übertreibungen inbegriffen, aber die Italiener haben ja sowieso diese unnachahmliche Weise, sich selbst gleichzeitig zu feiern und auf die Schüppe zu nehmen. Agata steht im Zentrum des allgemeinen Wirbels, eine sehr charmante, charismatische Frau, glücklicherweise nicht ganz so glatt und jung und schön wie Filmheldinnen gewöhnlich sein müssen, dafür mit um so mehr Charakter und Ausstrahlung. Soldini behandelt sie mit ebenso viel Liebe und Respekt wie alle anderen hier, dichtet ihr eine ungünstige Wirkung auf elektrische Geräte an und auch noch einen Liebhaber mit Doppelgänger, was sie dann am Schluß noch rasch umschwenken läßt. Überhaupt hat es keinen Sinn, die Turbulenzen auf Glaubwürdigkeit oder ähnliches abzuklopfen, denn das ist hier nicht gefragt. Komisches und Tragisches und durchaus Märchenhaftes werden gemischt zu einer wunderbar vitalen, witzigen, warmherzigen Kreation, angereichert mit ein wenig Erotik und sehr viel Ambiente und Lebensgefühl, dargeboten von vortrefflichen Schauspielern. Kritisch anmerken würde ich einzig die deutlich überzogene Länge von mehr als zwei Stunden, die sich vor allem im letzten Drittel bemerkbar macht, wenn das angestrebte Idyll eigentlich schon fertig ist, alle Zuschauer in wohligster Zufriedenheit das Ende erwarten, aber unbedingt noch zwei Anhänge kommen müssen, nämlich Romeos Unfall und die heilende Operation seiner Frau in Japan, womit dann dem guten Ende ein trauriges und dann doch wieder ein gutes aufgestülpt werden – für meinen Geschmack einfach zwei Umdrehungen zuviel, geschuldet vielleicht auch Soldinis unbändiger Lust am Fabulieren, am Geschichtenspinnen, aber die soll er sich lieber mal für seine nächsten Filme aufheben, damit auch wir noch etwas davon haben. Alles in allem aber doch einmal mehr ein sehr schöner Film aus Italien. (11.1.)