Alles auf Zucker! von Dani Levy. BRD, 2004. Henry Hübchen, Hannelore Elsner, Udo Samel, Steffen Groth, Anja Franke, Sebastian Blomberg, Elena Uhlig, Renate Krößner, Golda Tencer, Rolf Hoppe
Einst in den seligen Tagen der DDR war Jaeckie Zucker, ehemals Jakob Zuckermann, aus Berlin noch ein prominenter Sportreporter. Jetzt ist die DDR vorbei, und Jaeckie hat einiges vom alten Glanz eingebüßt, hat sich auf eine Karriere als Zocker, Säufer und chronischer Lügner und Simulant verlegt, hat sich von Gattin und Kindern gründlich entfremdet, wird ständig von Scheidung, Hinauswurf und dem Gerichtsvollzieher bedroht, kurz, steckt ziemlich in der Klemme und hat also allen Grund, der güldenen Vergangenheit klagend nachzutrauern. Seine Lage wird um nichts besser, als ihn unversehens die Nachricht vom Tod seiner Mutter erreicht. Die alte Dame hat zudem ein skurriles Testament hinterlassen, das erst dann mit einem Erbe winkt, wenn sich Jaeckie mit seinem seit vierzig Jahren verkrachten Bruder und dessen Familie ausgesöhnt hat. Der Haken dabei: Brüderchen frönt noch immer dem orthodoxen Judentum, von dem sich Jaeckie beizeiten und unter kräftiger Mithilfe sozialistischer Indoktrination abgewandt hatte. Nun also prallen zwei Welten aufeinander, und dem schnöden Mammon zuliebe muß man dem Rabbiner der Berliner Gemeinde schon eine Show bieten, sprich eine siebentägige Shiva und ein wenigstens ansatzweise koscheres Leben, sonst gibt’s kein Geld. Da aber zeitgleich ein für Jaeckie hochgradig lukratives Billardturnier in Berlin stattfindet, seine vielleicht letzte Chance, aller seiner Sorgen ledig zu sein, muß der alte Spieler nochmals zur Höchstform auflaufen, und natürlich werden diese sieben Tage für alle Beteiligten extrem anstrengend.
Dani Levys herrlich turbulente Komödie treibt liebevollen Schabernack mit zwei gänzlich unterschiedlichen Kulturen die, wenn man sie einmal ganz ehrlich und bei Tageslicht betrachtet, so unterschiedlich dann doch nicht sind. Es bleibt eben doch in der Familie, wenngleich unter verschiedenen Vorzeichen. Jaeckie wird in der Familie des Bruders nur „Stalin“ genannt, während sich Onkel Samuel wiederum den Spitznahmen „Ayatollah“ eingehandelt hat, doch eigentlich verbindet die beiden mehr als sie trennt: Ihre Sturheit, ihr verstocktes Schweigen, ihre Rechthaberei und vor allem ihre Liebe zum Geld. Denn auch wenn Onkel Samuel vielleicht die Tracht des orthodoxen Juden trägt, so wird auch sein Handeln unverkennbar davon bestimmt, daß er erben will, um die eigenen klammen Finanzen aufzupolieren. Und so dreht sich alles nur um das eine, bei Jaeckie ja sowieso, der ein unglaublich aufreibendes Leben führt, ständig alle Welt hinhält, vertröstet, hier noch Aufschub erbettelt, da noch jemanden für ein paar Tage ruhig hält, und so viele Herzattacken vortäuscht, bis er schließlich doch endlich eine richtige erleidet, die ihn dann gemeinsam mit Samuel, dem ähnliches widerfährt, ans Krankenlager fesselt, wo dann die finale Versöhnung stattfinden kann. Levy setzt auf Tempo, auf Turbulenzen, auf ein ironisches, vor allem selbstironisches Spiel mit kulturellen und religiösen Stereotypen, veräppelt die komplizierten Riten der reinen jüdischen Lehre, veräppelt gleichsam die mittlerweile schwer in Mode gekommene Ostalgie, kümmert sich gottlob wenig um politische Korrektheit, sondern will vor allem Spaß haben, ohne daß der Film jemals diffamierend oder respektlos wird, und wirklich nur die ewig mäkelnden Katholiken können daran noch etwas auszusetzen haben. Vor allem kann sich Levy auf sein glänzendes Darstellerteam verlassen, das mit enormem Schwung und Spaß bei der Sache ist und das auch rüberbringt, zu unserem allergrößten Vergnügen. Eine wirklich sehr witzige deutsche Komödie mit Charme und ein paar frechen Spitzen, und Levy bleibt sich insofern treu, daß sein Werke weiterhin sehr unberechenbar und schwankend ist: Nach ein paar eher seichten Tiefschlägen in den Neunzigern dann die spannende Vergangenheitsbewältigung in „Meschugge“ und das großartige Drama „Väter“, zwei doch recht schwere Sachen, und nun wieder etwas total leichtes, lockeres. Der Mann hat viele Gesichter, und ich bin schon gespannt, welches sich demnächst zeigen wird. (20.1.)