Les Brodeuses (Die Perlenstickerinnen) von Eléonore Faucher. Frankreich, 2004. Lola Naymark, Ariane Ascaride, Marie Felix, Thomas Laroppe, Jackie Berroyer, Arthur Quehen, Anne Canovas

   Claire sitzt an der Kasse eines Supermarktes in einem Provinzkaff und ist reichlich frustriert. Der nervtötende Job macht sie nicht glücklich, zuhause bei ihrer Familie auf dem Bauernhof fühlt sie sich nicht mehr heimisch, und obendrein ist sie nach einem offenbar oberflächlichen Seitensprung mit einem anderweitig gebundenen und zur Vaterschaft wenig geneigten Typen schwanger. Niemand soll davon erfahren, die Familie nicht und auch die Kolleginnen nicht, denen sie erst mal erzählt, sie habe Krebs und werde nun von der Cortisontherapie immer dicker. Ihre Einstellung zu der Schwangerschaft und dem ungeborenen Kind wandelt sich nur langsam: Zuerst will sie abtreiben, dann anonym entbinden und das Kind zur Adoption freigeben, schließlich läßt sie sich immerhin dessen Geschlecht auf einen Zettel schreiben und wartet mal ab. Freude bereiten ihr eigentlich nur der kleine Bruder, ihre beste Freundin Lucile, die nun allerdings in Lyon wohnt, und vor allem die Stickerei, die sie mit unerwarteter Hingabe und ebenso viel Talent betreibt. Durch Luciles Bruder Guillaume, der in einen tragischen Motorradunfall verwickelt war, erfährt sie von Madame Mélikian, die bei diesen Unfall ihren Sohn, Guillaumes Freund, verlor. Die Madame ist Stickerin und als solche sehr renommiert, und Claire bewirbt sich bei ihr mit Erfolg als Aushilfe. Die beiden kommen sich nur langsam näher, denn Claire ist von Natur aus bockig und mißtrauisch und Madame Mélikian noch ganz in ihrer Trauer gefangen. Doch die Mauern bröckeln allmählich, und in dem Maße, da Claire lernt, ihren Zustand und das Kind zu akzeptieren und es am Ende sogar behalten zu wollen, lernt auch Madame Mélikian, wieder ins Leben zurückzufinden und den Tod ihres Sohnes zu verarbeiten. Ganz nebenbei fertigen die beiden auch noch ein wahres Kunstwerk für die Pariser Haute Couture an.

 

   Ein kleines Kunstwerk ist auch dieser Film, der nicht so sehr mit Worten operiert, auch nicht mit einer spektakulären Handlung und erst recht nicht mit dramaturgischen Ausschweifungen, sondern der vorrangig auf die Kraft seiner Bilder setzt, und das tut er völlig zurecht, denn er besticht durch außerordentlich poetische, schöne, intensive Bilder, die auch ohne weitschweifige Textbegleitung für sich genommen schon fast die ganze Geschichte erzählen. Allein die Exposition – Claire im elterlichen Kohlfeld, der strahlend blaue Himmel, das herbstlich gelbe Laub, ihre bunten Klamotten und das leuchtend rote Haar – ist ein Fest für’s Auge, und in diesem Stil geht es auch weiter, aber ohne jemals angeberisch oder selbstzweckhaft zu werden. Faucher erzählt die Geschichte zweier Frauen in einer Krise und weit von einem Ausweg entfernt, zweier sehr verschiedener Frauen, die sich, wie man im Voraus erwarten durfte, durch die verbindende Leidenschaft für das Sticken und ihre daraus erwachsende gegenseitige Wertschätzung im Lauf der Zeit einander nähern, ihre Visiere allmählich hochklappen, aus ihrer Reserve hervorkommen und nun doch nach Möglichkeiten suchen, mit gemeinsamen Kräften ihre jeweilige Krise zu bewältigen. Darin ist an sich noch nichts unbedingt Neues zu finden, allein der ruhige, lakonische Stil ist bemerkenswert, die feinen Beobachtungen aus dem Lebensumfeld der Frauen, die knapp skizzierende, sehr konzentrierte, dichte, einfühlsame Erzählweise, einhergehend mit hervorragenden schauspielerischen Darbietungen und einem konsequenten Verzicht auf jedwedes Pathos, auch in feministischer Richtung. Das macht gar nichts, denn ein Frauenfilm ist trotzdem daraus geworden, nur eben einer, der damit nicht lautstark hausieren gehen muß. Bei der Gelegenheit fällt auf, daß solche Frauenfilme in den letzten Jahren ziemlich rar geworden sind, und es ist natürlich um so erfreulicher, ab und zu mal wieder einen zu sehen, besonders einen so guten. (1.6.)