Hacla hasurit (Die syrische Braut) von Eran Riklis. Israel/Frankreich/BRD, 2004. Hiam Abbas, Makram J. Khoury, Clara Khoury, Ashraf Barhoum, Eyad Sheety, Evelyne Kaplun, Julie-Anne Roth

   Filme aus der im weitesten Sinne arabischen Welt sind hierzulande ebenso selten wie jederzeit willkommen, denn sie berichten aus einer Welt, die geographisch gar nicht mal so weit entfernt, die eigentlich jederzeit in den Medien präsent ist und die dennoch in vieler Hinsicht unendlich fremd und unverständlich erscheint. Und sie tun dies sehr oft auf so mitreißende Art und Weise, daß man an ihrem Beispiel perfekt die brückenschlagende Funktion von Kultur darlegen könnte (jetzt quatsch ich schon wie irgendsoein Offizieller!).

   Dieser Film hat all diese Qualitäten, und nicht zuletzt deswegen hat er mir auch so gut gefallen. Er erzählt eine einfache Geschichte, und wie so oft kann man mit einfachen Geschichten am meisten zeigen. Die drusischen Syrer auf den Golanhöhen bereiten eine Hochzeit vor: Mona soll nach gescheiterter erster Ehe einen Mann aus Damaskus heiraten, den sie nur vom Foto kennt. Das Problem ist, daß, sobald sie einmal über die Grenze nach Syrien gegangen ist, sie nie wieder zurück zu ihrer Familie kann, denn die Israelis, die Besatzer also, würden ihr die Einreise verweigern, ebenso wie die Syrer ihr die Ausreise verweigern würden. Das ist aber nicht das einzige Problem: Monas Vater, ein unbequemer Typ, der immer für die syrischen Rechte gestritten hat und den Israelis ein ständiger Dorn im Auge ist, wurde nur auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen und darf sich dem militärischen Sperrgebiet an der Grenze nicht einmal nähern, könnte sich also nicht von seiner Tochter verabschieden. Seine älteste Tochter erniedrigt sich seinetwegen beim israelischen Polizeioffizier und bittet um eine Ausnahme. Privat hat sie auch noch genug Ärger: Ihr Mann ist ein traditionsbewußter Macho, der ihr ein Hochschulstudium verbieten will, und ihre älteste Tochter hat ausgerechnet einen Israeli zum Freund. Dann gibt es da noch Monas Brüder: Der eine lebt seit langem verheiratet in Rußland und wurde deswegen von Paps im Zorn halbwegs verstoßen, und der zweite treibt sich mit eher dubiosen Geschäften und lockeren Frauenbekanntschaften im Mittelmeerraum herum und ist also auch nicht gerade das, was man den Stolz der Familie nennen könnte. Und als ob all das nicht schon reichlich genug wäre, kommt es dann an der Grenze, als die Trauung endlich durch eine Frau von der UN abgewickelt werden soll, zu einer letzten, scheinbar aber kaum überwindbaren Schwierigkeit, als nämlich die Behörden auf beiden Seiten sich nicht auf die Formalitäten einigen können – muß nun ein Stempel in den Paß oder nicht. Die arme UN-Tante hetzt in sengender Hitze zwischen den Grenzbäumen hin und her, die Grenzer versuchen ihre Vorgesetzten daheim zu erreichen, alle heben sie die Hände und bedauern, daß sie da gar nichts machen können, und schließlich macht sich Mona in voller Montur allein auf den Weg, aber ob sie drüben auch ankommen wird, bleibt offen.

   Das ist also schon mal die eine Botschaft: Die Frauen machen sich endlich auf den Weg, wo die Männer ewig in ihren Regeln und Traditionen erstarren, die Zeit der Unterordnung scheint zumindest im Kleinen vorüber zu sein, so wie Monas Schwester Amal es eindrucksvoll vorlebt: Jahrelang hat sie ausgehalten im Interesse ihrer Kinder, nun sind die fast erwachsen und nun ist sie an der Reihe, und der Gatte kann Gift und Galle speien, es wird nichts daran ändern. Auch andere Ereignisse innerhalb der Familie wirken ermutigend in Richtung auf Versöhnung und Solidarität. Der russische Sohn beschützt seinen Vater an der Grenze vor dem Zugriff des israelischen Beamten, und schließlich kann Paps auch über seinen Schatten springen und die Schwiegertochter und den kleinen Enkel in der Familie willkommen heißen. Damit setzt er sich wiederum über die Drohung der Dorfältesten hinweg, die angekündigt hatten, sie würden ihn verstoßen, sobald er seinen gottlosen Sohn wieder aufnähme. Offenbar ist es gar nicht leicht, ein drusischer Syrer zu sein. Auch aus anderen Gründen natürlich: Die israelische Besatzung beherrscht ihr Leben seit dem 6-Tage-Krieg, hat Familien getrennt, hat die natürlichen Lebensformen zerstört. Man kommuniziert nun per Megaphon über Stacheldrähte hinweg, und obgleich im Film kein einziges Mal unmittelbare Gewalt gezeigt wird, ist sie im Hintergrund, in Gestalt schwer bewaffneter Soldaten, gepanzerter Autos, gesicherter Grenzen und in Radionachrichten doch ständig präsent. Die Entscheidung, auf welcher Seite des Zauns man leben will, muß endgültig sein, es gibt kein Zurück, die Unversöhnlichkeit der Politik wiegt unendlich schwerer als die individuellen menschlichen Konflikte.

 

   Man sollte annehmen, daß ein solch „kleiner“ Film einfach zerdrückt wird von der Last so vieler Aspekte, aber einmal mehr ist das Kunststück gelungen, aus alledem ein Werk zu fabrizieren, das dennoch, tja, nicht leicht aber auch nicht zu schwer wirkt, ein Film sehr intensiver, eindringlich ausgelebter Emotionen, ein wunderbar menschlicher, gefühlvoller, temperamentvoller Film, glänzend gespielt, einfach und effektiv inszeniert mit einem Blick für die wesentlichen Momente und Akzente, und auch so inszeniert, daß unsereiner, der sich mit den dortigen Begebenheiten nicht so gut auskennt, nicht den Überblick verliert, sondern im Gegenteil mal so einiges erklärt bekommt und somit nicht nur tief bewegt sondern auch um einiges klüger aus dem Saale tritt. Beachtlich auch, daß ein israelischer Film zumindest für meine Augen nicht automatisch Position für die Israelis bezieht, sondern sich eher die Perspektive der syrischen Einwohner auf dem Golan und ihrer Situation zu eigen macht – aber vielleicht sind mir da ja auch einige feine Nuancen durch die Lappen gegangen. Gleichviel, mir hat der Film außerordentlich gut gefallen, und ich schwöre hiermit auch, daß ich nie nie nie wieder etwas gegen die Bürokratie in fucking Germany sagen werde! (4.4.)