Die weiße Massai von Hermine Huntgeburth. BRD, 2005. Nina Hoss, Jacky Ido, Katja Flint, Nino Prester, Janek Rieke
Also gut, ich leiste Abbitte, ich geb’s zu – dieser Film ist längst nicht so übel wie ich befürchtet hatte, er ist sogar offen gestanden gar nicht übel, er ist im Rahmen des zu Erwartenden sogar ziemlich gut gelungen, man muß bloß sich vorher klarmachen, um was es geht, vor allem um wessen Perspektive es geht.
Es geht um die Perspektive einer jungen Schweizerin, die daheim in Bern einen Laden schmeißt, offenbar mit Erfolg, die auf einem Keniatrip mit ihrem Freund einen schönen Samburo-Krieger sieht, sich augenblicklich in ihn verliebt und buchstäblich alles stehen und liegen läßt und ihm in den Busch folgt, wo sie mit ihm lebt, ihn heiratet, ein Kind mit ihm hat, und ihn nach ein paar Jahren wieder verläßt, weil sich ihre Vorstellungen vom Leben doch nicht mit seinen vereinbaren lassen. Es geht also nicht um eine objektive Abrechnung mit Afrika, mit den dort herrschenden Geschlechterrollen, mit Beschneidungen, mit Stammestraditionen oder was auch immer, es geht um die Erfahrungen einer Europäerin, und zwar einer offen gesagt ziemlich naiven dazu, die nicht nur relativ wenig Vorwissen über die Menschen in Afrika und ihre Lebensweise hat, die darüber hinaus jeglichen gut gemeinten Rat einer anderen Europäerin oder des italienischen Missionars vor Ort in den Wind schlägt, sich anfänglich ganz gut durchschlägt und über erste Schwierigkeiten hinweggehen kann, die dann letztlich aber daran scheitert, daß sie den Ehrenkodex der Samburomänner nicht versteht und Lemalian seinerseits nicht in der Lage ist, den Ansprüchen einer modernen Europäerin nachzukommen. Der Film schafft es irgendwie, bei aller angebrachten Subjektivität fair zu bleiben – zu keiner Zeit wird Lemalian verurteilt, werden die Traditionen seines Stammes denunziert, Huntgeburth schwelgt nicht in spekulativen Schreckensbildern (etwa bei der Beschneidung) und zeigt die Männer auch nicht als brutale, despotische Machos, im Gegenteil muß man wohl einräumen, das sich Lemalian für seine Verhältnisse von der weißen Frau eine Menge bieten und sagen läßt, für sie Dinge tut, die er sonst niemals täte und die er kaum mit seinem Stolz vereinbaren kann, die er aber eben dennoch tut, und das wird mehrmals klar herausgestellt. Seine zunehmenden Eifersuchtsszenen sind dann allzu deutlich nur ein Ersatzschauplatz, den er sich suchen muß, um seine Hilflosigkeit, seine Beschämung, sein Unverständnis abzureagieren. Man kann vielmehr manches Mal nur den Kopf schütteln über Carola und ihre unbedarften Versuche, ihre europäischen Wertmaßstäbe, ihr Konzept von Liebe, Romantik, Gleichberechtigung undsoweiter auf afrikanische Verhältnisse zu übertragen, oder gar einen nach westlichen Regeln korrekt und ökonomisch geführten Laden aufzumachen, was unweigerlich dazu führt, daß sie sich alsbald über die afrikanische Vetternwirtschaft und Lemalians großzügiges Kreditwesen empört, so wie die Europäer sich immer beklagt haben, wenn die Afrikaner einfach nicht so wollten wie sie (die Endloslitaneien der Straßenbauer klingen mir nach zwanzig Jahren noch in den Ohren!). Es geraten hier einfach zwei grundverschiedene Welten und Auffassungen aneinander, und nach ein paar Jahren reichen die puren Gefühle nicht mehr aus, um die Kluft zu überwinden. Bemerkenswerterweise wird in dem Film kein einseitig Schuldiger festgestellt – es ist überhaupt niemand schuld an dem Scheitern der Ehe -, und ehrlich gesagt hatte ich genau das befürchtet. Daß die Afrikaner und ihr Leben wieder einmal nur aus europäischer Sicht gesehen und beurteilt werden, ist vollkommen klar, denn das ist vornehmlich die Geschichte einer Europäerin, und dies dem Film vorzuwerfen ginge an seinen Voraussetzungen und Absichten vorbei. Natürlich, auch das ist völlig klar, handelt es hier um ein Mainstreamprodukt und nicht um eine ethnologische Dissertation, und so könnte man sich zur Not über den allzu konventionellen Regiestil beschweren, aber damit kann ich hier ganz gut leben. Ärgerlich ist eigentlich nur Niki Reisers bieder-klebriger Soundtrack, der das Projekt ganz unnötig in Seifenoperrichtung dirigieren will, dafür aber gibt es großartige Bilder zu sehen, und zwar ganz selten nur die üblichen Postkarten, sondern in vielen Szenen riecht man, spürt man, schmeckt man Afrika regelrecht, den frappierenden Kontrast zwischen den wimmelnden Riesenstädten und der monumentalen Weite des Landes, und insgesamt ist der Film den Afrikanern doch recht nahe, ohne sie dabei zu verkitschen oder sonstwie zu beurteilen. Es gibt witzige und kritische Details über afrikanische Bürokratie, über Diskriminierung einzelner Stämme innerhalb der Gesellschaft, über das Stadt-Land-Gefälle, und insgesamt habe ich lange keinen europäischen Kommerzfilm gesehen, der Afrika wirklich so eindringlich und fühlbar ins Bild setzt wie dieser. Hinzu kommt eine wirklich eindrucksvoll spielende und sehr charismatische Nina Hoss, die sowohl die psychischen als auch die physischen Befindlichkeiten Carolas mit maximaler Intensität rüberbringt. Auch hier hätte der Film bei einer schwächeren Darstellerin scheitern können, so aber ist eine wirklich sehr passable Sache daraus geworden, eine auch in ihrer Länge jederzeit spannende, interessante, durchaus bewegende Erzählung und in jedem Fall Kino für die große Leinwand. (19.10.)