Shi mian mai fu (House of flying daggers) von Zhang Yimou. China/Hongkong, 2003. Zhang Ziyi, Andy Lau, Takeshi Kaneshiro, Song Dandan
Meister Zhang ist ganz offensichtlich auf den Geschmack gekommen: Vor zwei Jahren überraschte er uns mit seinem fulminanten „Hero“, der einerseits auf den soeben ins Rollen gekommenen Trend aufsprang, nach dem nun auch anspruchsvolle, künstlerisch etablierte Filmemacher (wie eben Zhang oder auch Ang Lee) fernöstliche Kampfkunst ins Bild setzen und dabei zugleich Kinogänger und Kritiker zufriedenstellen konnten. Nach seinen vorangegangenen, betont einfachen und fast volkstümlichen Filmen nun also ein explosives, farbenprächtiges Spektakel, das an die großartige Ästhetik seiner frühen Meisterwerke anknüpfte, allerdings ohne die darin stets enthaltene politische Aussage. Unterhaltungskino auf höchstem Niveau von einem, der zugegeben vorher mal mehr gemacht hat.
Und nun ein weiterer Film in diesem Stil, ein weiteres Fest für das müde Städterauge, einmal mehr unglaubliche Kämpfe in unglaublichem Tempo, dazu überwältigend schöne Bilder, grandiose Farbeffekte, berauschende Musik. Im Grunde ist es ganz wurscht, worum es eigentlich geht und in welcher Dynastie sich das alles nun zuträgt und in welchem Jahrhundert genau wir uns befinden. Irgendwann vor langer Zeit halt, wo mal wieder ein mächtiger und leider auch korrupter Herrscher in Schwierigkeiten steckt, weil ihm eine höchst effektive Untergrundsorganisation, genannt die „Fliegenden Messer“, das Leben schwer macht. Beide Seiten arbeiten mit allen Tricks und Täuschungen, schleusen Spione ein, tarnen Kämpferinnen als blinde Tänzerin oder Freudenhausleiterin, sodaß schließlich die Kontrahenten (und auch die Zuschauer) alle Mühe haben, die jeweiligen Identitäten zu ordnen und den Überblick zu behalten. Inmitten dieser verwirrenden Verhältnisse ergibt sich eine Liebesgeschichte im Dreieck, die im Verlauf der Handlung mehr und mehr die Oberhand gewinnt und am Schluß gar wichtiger ist als der endgültige Kampf zwischen den Rebellen und den Soldaten des Herrschers. Die blendend schöne Tänzerin zwischen ihrem ehemaligen Geliebten und zugleich Kampfgenossen und dem jungen Polizisten, der die vermeintlich blinde Rebellin eigentlich in die Falle locken wollte. Zhang spart nicht mit groß angelegtem Drama und wild aufflammenden Gefühlen, aber das ist insofern auch ganz schön, weil er damit den rasanten und zum Teil recht blutigen Gefechten etwas anderes, menschliches entgegensetzt, auch wenn es am Ende nicht weniger zerstörerisch ist: Nach einem endlosen, verzweifelten Showdown im Schnee sind alle drei entweder tot oder schwer verwundet, und auf jeden Fall wird es so kein Happy End geben. Was also zu Beginn losgeht wie ein temporeiches Duell zwischen tyrannischer Obrigkeit und Widerständlern, entwickelt sich später zu einem handfesten, mitreißenden Liebesdrama, in dem Zhang die Actionmomente sehr geschickt dosiert und auch den bestechenden Schauspielern viel Raum zur Entfaltung von Emotionen gibt.
Unsereiner also genießt zwei Stunden lang Kino in seiner ursprünglichsten, reinsten Form, sieht sehr schöne Menschen in schönen Landschaften, sieht aberwitzig choreographierte Kämpfe, erlebt einen intensiven, erbitterten Kampf um Liebe und vergißt zwischendrin auch mal, daß er eigentlich nicht im neunten Jahrhundert n.Chr. im fernen China lebt, sondern in wenig glorreichen Zeiten in Ostwestfalen. Der Aufschlag im Alltag ist nachher zwar hart, dafür aber ist der Traumflug zuvor umso schöner. (9.1.)