Kammerflimmern von Hendrik Hölzemann. BRD, 2004. Matthias Schweighöfer, Jessica Schwarz, Jan Gregor Kemp, Florian Lukas, Bibiana Beglau, Rosel Zech, Ulrich Noethen, Volker Spengler

   Die alltäglichen Erlebnisse des Rettungsfahrers Crash diesseits und jenseits des Rheins bei Köln, seine Begegnung mit jener Frau, von der er schön lange träumt, und seine Begegnung mit dem Tod, der ihn verfolgt, seit er als kleiner Junge als einziger einen Autounfall überlebte und seine Eltern sterben sah.

   Es reicht eigentlich, diesen Film in diesen knappen Worten zusammenzufassen, denn inhaltliches spielt keine allzu große Rolle darin, es geht mehr oder weniger nur um Gefühle. Und die sind natürlich sehr groß hier, es handelt sich praktisch um einen emotionalen Frontalangriff, um einen Dauerbeschuß mit Adrenalin, intensiven, existentiellen Momenten und sehr viel Schicksal. Manch einem mag das zu viel sein, und natürlich kann man leicht einwenden, der Film, übertreibe, packe viel zuviel in eine solch kurze Zeit und verliere dabei die Realität allzu weit aus dem Blick. Gerade letzteres allerdings ginge sicherlich an den Absichten des Autors vorbei, denn es soll hier wohl kaum angestrebt werden, einen realitätsnahen Bericht von der Arbeit eines Rettungsteams in der Großstadt abzuliefern oder dergleichen. Von Beginn an verfremdet und stilisiert Hölzemann ziemlich konsequent., konzentriert sich auf die Wahrnehmungsperspektive Crashs, der immer und überall von den quälenden Bildern des furchtbaren Unfalls heimgesucht wird und der nun, ganz wie einst Jeff Bridges in Peters Weirs „Fearless“, Situationen hart am Abgrund geradezu herauszufordern scheint. Dies ist das eine große Motiv des Films, und ich finde, daß es ziemlich faszinierend umgesetzt wurde: Der Junge, der dem Tod begegnet ist, der weiter gelebt hat und der nun den Tod immer wieder sucht und der lebt in dem Bewußtsein, daß ihm doch nichts passieren kann. Und wie Jeff Bridges damals ist auch er am Ende fast schon tot, bevor ihn die Frau oder irgendeine andere Kraft wieder ins Leben zurückreißt. Das zweite Motiv, die Liebesgeschichte, ist leider das am wenigsten gelungene, es kommt einfach zu kurz, schon proportional zum Rest. Es gibt einige sehr intensive Momente, aber wenig Entwicklung, wenig Substanz. Hier wirkt sich die weitgehende Beschränkung des Regisseurs auf Affekte und  Oberflächenreize wohl am negativsten aus. Die dritte Ebene, das tagtägliche Geschehen zwischen Suizid, Apoplex, Reanimation, Suff und Drogen, hat mich deswegen stark beeindruckt und bewegt, weil sehr eindringlich klar wird, daß sich diese Jungs immer nur von einer Extremsituation zur nächsten bewegen, daß sie dauernd Menschen begegnen, die selbst auf der Grenze zwischen Leben und Tod stehen, und daß man diese unglaubliche Belastung unmöglich einfach so verarbeiten kann. Folglich dröhnt sich der eine mit jedwedem Schnüffelstoff voll, den er abstauben kann, der andere treibt’s mit der Notärztin hinten im Wagen, und Crash bewegt sich durch das triste Geschehen fast wie in Trance mit einer Mischung aus Todesfixierung und Unantastbarkeit.

 

   Solch ein Film riskiert natürlich, total lächerlich, überzogen und melodramatisch zu sein, und Hölzemann geht schon ziemlich weit mit allem, auch in der Anwendung filmischer Mittel. Der klare Blick ist seine Sache nicht, vielmehr erleben wir einen psychedelischen, zum Teil anstrengenden, meistens aber faszinierenden Rausch, dem man sich entweder gern aussetzt, oder aber vor dem man sich verschließt, weil es zuviel des Guten wird. Da hat ein jeder seine eigenen Grenzen, und je nachdem wird dann wohl das Urteil ausfallen. Objektiver könnte man jedenfalls feststellen, daß die Schauspieler toll sind und daß es hier Bilder zu sehen gibt, die im teutschen Film nicht oft vorkommen, und das ist ja auch schon mal was. Mir hat es ziemlich gut gefallen. (9.2.)