Keine Lieder über Liebe von Lars Kraume. BRD, 2005. Florian Lukas, Jürgen Vogel, Heike Makatsch, Monika Hansen
Eine Dreiecksgeschichte: Tobias und sein Bruder Markus sind eigentlich ein Herz und eine Seele. Als allerdings Tobias eines Tages den Verdacht hat, daß Markus etwas mit seiner Freundin Ellen hatte, tut sich eine Kluft in der sonst so innigen Bruderbeziehung auf. Um dies zu verarbeiten und auch irgendwie Gewißheit zu bekommen, beschließt Tobias, einen Dokumentarfilm über Markus und die Tournee seiner Band Hansen zu drehen und Ellen auf die Reise mitzunehmen. Fortan wird das eher unfreiwillig zusammengebrachte Trio mitsamt Musikern begleitet von einer allgegenwärtigen Kamera, und zwar nicht nur in die Klubs zwischen Hamburg, Bremen, Oldenburg und Berlin, sondern auch in Hotelzimmer, improvisierte Quartiere, den Tourneebus bis hin zum Finale in Berlin, wo die Trennung von Tobais und Ellen offenbar nicht mehr aufzuhalten und auch die Zukunft der beiden Brüder ungewiß ist.
All dies wurde als Rahmen entworfen, innerhalb dessen die Schauspieler dann ihre Dialoge improvisieren sollten, und das Ergebnis ist tatsächlich verblüffend und beeindruckend. Kein angestrengtes Kunstprodukt, auch kein nerviges Videogewackel, sondern eine im Grunde ganz einfache, gradlinig erzählte Story mit bestechendem Blick für die Details des Alltags, so wie wir alle sie selbst zigmal erlebt und beobachtet haben. Zwischen Mißtrauen und Versöhnung, Frust und Annäherung, Liebe und Sprachlosigkeit bewegen sich die drei Hauptfiguren, und dazwischen erleben wir einige prima Auftritte der Band (Hamburger Schule, okay, ist an sich nicht so mein Ding, aber die hier sind echt ganz gut), ein bißchen Kontraktaufnahme mit den lokalen Fans in Großstadt und norddeutscher Provinz und einen grandios gespielten Auftritt der Mutter der beiden Brüder, einer Frau, die sich fast das ganze Hirn weggesoffen hat und die von Monika Hansen fast schon unheimlich realistisch dargestellt wird. Das Miteinander der drei Hauptdarsteller wird sehr geprägt von der Stimmung ihrer Charaktere: Anfangs ist das noch locker und ganz freundlich, zunehmend aber entwickeln sich Spannungen und Aggressionen, werden auch die Dialoge schärfer, bitterer, und es ist schon toll zu sehen, wie diese drei, die wirklich ganz hervorragend sind, sich ihre jeweiligen Parts aneignen (Heike Makatsch hat sogar ein Tagebuch von Ellen verfaßt!), wie es ihnen gelingt, Stimmungen aufzubauen und wie sie fast immer den richtigen Ton treffen, und gerade die Tatsache, daß sie mal nicht in ausgefeilten Sätzen sprechen müssen, verleiht ihrem Spiel etwas höchst lebensnahes. Dies ist ein Experiment, das gern ein wenig Schule machen und in Richtung auf mehr frei und locker strukturierte Projekte führen könnte, denn wenn so was in den Händen von wirklich kompetenten Leuten ist, kommt, wie man hier nachdrücklich sehen kann, ein sehr spannender und faszinierender Film dabei heraus. (8.11.)