Dear Frankie (Lieber Frankie) von Shona Auerbach. England, 2003. Emily Mortimer, Gerard Butler, Jack McElhone, Mary Riggans, Sharon Small

   Dies ist der ideale Testfilm für mannigfaltige Gelegenheiten: Mamis, und solche, die es vielleicht noch werden wollen, können erstens testen, wann frühestens sie die erste Feuchtigkeit in den Augenwinkeln verspüren und in die Handtasche langen müssen. Die Tempoindustrie kann zweitens die Reißfestigkeit und Saugfähigkeit ihrer Produkte testen. Und der männliche Teil der Menschheit kann drittens testen, ob, wie die Legende geht, Männer doch ein Herz haben, oder ob sich im linken Teil ihres Brustraums doch nur, wie ebenfalls oft und viel behauptet, ein kaltes, steiniges Vakuum befindet. Vielleicht ist es zu diesem Zwecke günstig, wenn beide Geschlechter säuberlich getrennt zu den Aufführungen marschieren, weil vermutlich das Resultat freier, ehrlicher ausfiele (und weil die Jungs auf Dauer doch nur vom vielen Taschentuchgeknister genervt wären!). Mein ewiger Mitstreiter und ich jedenfalls, unsererseits zwei durchaus abgebrühte, typische Vertreter ihrer Gattung, konnten nach Verlassen des schandbar leeren Kinosaals übereinstimmend feststellen, daß es sich hierbei um einen Film handelt, der tatsächlich – sogar uns! – sehr zu Herzen geht, was ja schon eine Aussage zum letztgenannten Punkt beinhaltet.

   Worum geht’s? Lizzie lief einst ihrem prügelnden Ehemann davon und nahm den kleinen Sohn Frankie, den der Vater taub geschlagen hatte, mit. In Begleitung der Mama begann eine unentwegte Odyssee, den jedesmal, wenn die Familie des rachsüchtigen Gatten sie wieder aufgespürt hatte, zogen sie weiter, Jahr für Jahr. Dem Jungen zuliebe erfand Lizzie dann einen Papa, der auf der „Accra“ zur See fährt und schickte ihm Briefe angeblich aus aller Herren Länder. In Bedrängnis gerät sie, als eines Tages tatsächlich ein Schiff namens „Accra“ in den Hafen von Glasgow einläuft, und sie nun in aller Eile einen Vater organisieren. Sie bekommt einen vermittelt, einen netten, kantigen Typen, der die Rolle gegen Bezahlung für einen Tag spielen will. Wie man sich aber gleich denken kann, wird daraus natürlich viel mehr (vor allem als der wirkliche Gatte doch wieder auftaucht, diesmal als todkranker Mann), und Lizzie muß schließlich einsehen, daß ihr Wunsch nach einer sauberen, geschützten Welt für Frankie nicht immer realistisch ist und sie ihren Sohn vor allem nicht unterschätzen sollte, denn der wußte schon längst, daß der fremde Mann nicht sein richtiger Vater ist.

   Eine schöne Geschichte, auch wenn einiges davon fraglos vorhersehbar verläuft, aber die sehr intime, zärtliche Umsetzung durch die Regie und die wirklich hervorragenden Schauspieler sorgen für soviel Intensität und Wärme, daß auch sonst kritisch-distanzierte Zuschauer gern mal für hundert Minuten vergessen, daß es hier eigentlich nur um ein Märchen und um sehr viel Gefühlsaufwand geht. Der Film besteht zu einhundert Prozent aus Emotionen, aber er zieht das ganz konsequent durch in Bildgestaltung und Musikbeschallung, und er kann es sich leisten, weil er sich wirklich auf ein paar Situationen und nur ein paar Leute konzentriert, weil er völlig glaubwürdig und echt wirkt und durchaus nicht zu dick aufträgt, weil einem die Menschen hier so nahe und sympathisch sind, weil man wirklich mit ihnen fühlt und sich sogar die Männer im hintersten Winkel ihrer vereisten Seele wünschen, daß sich alle hier irgendwie kriegen werden.

 

   Mehr muß an dieser Stelle auch eigentlich nicht gesagt werden. Der Film ist einfach und klar in der Botschaft, gottseidank nicht zu aufdringlich im schottischen Lokalkolorit – um es zusammenfassend zu sagen: Schön. (24.4.)