Napola von Dennis Gansel. BRD, 2004. Max Riemelt, Tom Schilling, Devid Striesow, Joachim Bißmeier, Justus von Donahnyi

   Napola ist kurz für „Nationalpolitische Erziehungsanstalten“ und war nichts anderes als eine Kaderschmiede der Nazis für kommende Eliten. Übers Reich war ein rundes Dutzend dieser Schulen versammelt, neben LBAs und Adolf-Hitler-Schulen und was es sonst noch gab in dem Bestreben, möglichst jedes noch so kleine Talent gewinnbringend zu nutzen für die nationalsozialistische Sache. Wie uns der Nachspann knapp informiert, waren während des Krieges noch rund 15.000 Vorzeigearier in den Napolas, bis sie dann zuletzt wie alle anderen verheizt wurden und zur Hälfte starben. Und obwohl ich doch einiges über das Hitlerdeutschland zu wissen glaube, muß ich eingestehen, daß mir die Napolas bislang vollkommen unbekannt waren, sodaß hier dringend eine Wissenslücke zu füllen war.

   Der Film erzählt eine Geschichte von 1942, wo ein Arbeiterjunge aus dem Wedding durch Zufall als guter Boxer auffällt und von einer Napola angeworben wird. Zunächst begeistert und unbedarft erlebt er den Drill, die politische Indoktrination, den Terror des wahnwitzigen Herrenmenschentums, der Menschenverachtung, des bedingungslosen, lebens- und todesverachtenden Gehorsams. Unser junger Siegfried freundet sich an mit einem kritischeren, distanzierten Jungen, dem Sohn des Gauleiters und lernt durch grausame Erfahrung schließlich doch, sich dem System zu verweigern: Den entscheidenden Boxkampf verliert er absichtlich und muß natürlich die Schule verlassen.

   Man erlebt also die tägliche Schikane, die Mischung aus brutaler Körperertüchtigung, öffentlicher Demütigung der Schwachen und Außenseiter und die Einreihung sämtlicher geschichtlicher und kultureller Daten in die nationalsozialistische Lehre und Weltsicht. Aus der Sicht des eigentlich friedvollen und naiven Friedrich werden die zunehmend schlimmen Erlebnisse geschildert, die zunächst in einem erniedrigenden Saufgelage mit Nazigrößen in einer den Juden enteigneten Villa und danach in einer nächtlichen Hetzjagd auf angeblich bewaffnete russische Kriegsgefangene gipfeln. Diese Russen entpuppen sich als unbewaffnetem wehrlose Jungen, die gnadenlos hingerichtet werden, was bei Friedrichs Freund Albrecht eine fatale Widerstandshandlung hervorruft, die zu seinem Selbstmord und in der Konsequenz zu Friedrichs Einsicht führt.

 

   In vielem in diese Geschichte bekannt, sie enthält zumeist wohlbekannte und oft schon variierte Elemente, und das ist an sich nicht einmal das Problem. Auch die Zeichnung der Personen weist zahlreiche Klischees auf oder zumindest etwas, das uns nach so vielen Filmen aus dieser Zeit als Klischee erscheinen muß. Selbst die zum Teil etwas sehr dick aufgetragenen dramaturgischen Mätzchen mag man noch damit erklären, daß gerade den jungen Zuschauern dieses Thema nahegebracht werden sollte, und jungen Zuschauern kann man nun mal nur dann etwas nahebringen, wenn man sie zugleich unterhält. Auch noch okay. Mein Begleiter, der diese Zeit und eine ähnliche Schule selbst durchlaufen hat, stellte zudem fest, daß vieles an dem Film durchaus authentisch und gut nachempfunden ist, also warum nicht ein bißchen was zur Verdeutlichung der Botschaft tun. Naja, wie ist das aber mit der Botschaft - der Film verhält sich eigentlich, und darin geht er ja mit den meisten seiner Artgenossen heutzutage konform, über weite Strecken ziemlich neutral, konzentriert sich auf die Story, die Konflikte, die Dramen, die Freundschaften, die Ordnung in der Schule und ihre Details. Ich habe an ähnlicher Stelle schon zigmal meine Meinung dazu gesagt, und daß ich persönlich viel lieber einen Film sehe, der selbst eine klare Stellung bezieht, an der man sich als Zuschauer gern auch reiben kann, aber ich kann es nicht ändern. So wie es ist, kann sich nun ein jeder ganz frei und unbeeinflußt (sagen jedenfalls die, die es wissen müssen!) seinen Standpunkt suchen und wird ganz bestimmt nicht vom Künstler bevormundet. Wie schön. Aber auch das ist noch nicht mein eigentlicher Kritikpunkt. Der Killer dieses Films, oder zumindest eines großen Teils seiner sicherlich ehrenwerten und ernsthaften Absichten, heißt kurioserweise Angelo Badalamenti, dem ja Mr. David Lynch einige höchst effektvolle und brillante Soundtracks zu verdanken hat. Aber das hier ist nicht die Welt David Lynchs, und nichts kam mir persönlich deplazierter vor als melodisch auf- und abschwingende Sphärenklänge zur Untermalung ganz banal grausamer und weitestgehend historisch verbürgter Ereignisse. Dick und sämig wird sie uns immer wieder um die Ohren geschmiert und sorgt oft für empfindlich falsche Töne, will plump für Emotionen sorgen, wo ganz bestimmt ein klarer Blick und ein wacher Verstand angesagt sind und wo es nun wirklich nichts zu verschleiern und verschwurbeln gibt. Ich bin, was Filmmusik angeht, vermutlich sehr kleinlich, aber diese hier hat mich enorm genervt, weil sie vieles banalisiert und nivelliert und weil sie offenbar nicht gestatten will, daß wir Zuschauer auf Distanz zu dem Geschehen gehen. Also einmal mehr das alte Lied: Vergangenheitsaufarbeitung kollidiert mit kommerziellen Vorgaben, ein Thema aus der Nazizeit will konsumgerecht dargeboten werden, eine Botschaft will verbreitet, aber um Gottes Willen nicht übergestülpt werden, und letztlich entsteht fast zwangsläufig mal wieder ein schwammiges, unklares Gebilde, das sehr wohl seriösen Ursprung hat, aber unter seiner Umsetzung leidet. (20.1.)