One day in Europe (#) von Hannes Stöhr. BRD/Spanien, 2004. Megan Gay, Ludmila Tsvetkova, Florian Lukas, Erdal Yidilz, Peter Scherer, Miguel de Lira, Rachida Brakni, Boris Arquier
Nach der spanischen Herberge vor einigen Jahren ist dies
nun ein weiterer Film, der einen heiter-ironischen oder was auch immer Blick wirft auf das ach so neue Europa, den sprichwörtlich grenzenlosen Schmelztiegel der Kulturen, wo heutzutage
jeder mit jedem zusammenkommen kann, aber natürlich nicht gleich jeder jeden auch versteht. Um dies zu illustrieren, hat Hannes Stöhr am Reißbrett vier Episoden entworfen und nacheinander
erzählt, ganz locker und frisch, aber eben auch ein wenig schematisch. Zwei Dinge sind den vier Kurzgeschichten gemeinsam: Sie tragen sich sämtlich vor dem Hintergrund eines
Champions-League-Endspiels zwischen Deportivo und Galatasaray in Moskau zu, und sie variieren mehr oder weniger eine Ausgangssituation: Zweimal werden Fremde im Ausland bestohlen und wenden sich
an die Polizei, zweimal versuchen Fremde im Ausland ihre Versicherung zu betrügen und einen Diebstahl vorzutäuschen und geraten ebenfalls mit der Polizei aneinander. Und im Abspann steht’s im
Elfmeterschießen schon sechszehn zu sechzehn.
Megan aus England wird in Moskau gleich mal beraubt, erhält aber Hilfe von einer netten Einheimischen, die ihr auch im Kampf gegen die stoisch
schwerfälligen Behörden hilft. Pointe: Der Sohn jener liebenswerten Moskauerin ist just einer der Räuber.
Rokko aus Deutschland täuscht in Istanbul vor, beraubt worden zu sein, scheitert aber fast an den mißtrauischen Behörden. Hilfe erhält er von einem türkischen Taxifahrer, mit der er selbstverständlich schwäbisch schwätze kann. Pointe: Der gute Mann hat Rokkos Manöver auch durchschaut und verlangt eine Belohnung von ihm.
Gabor, einem ungarischen Pilger, wird in Santiago de Compostela die Digitalkamera mitsamt fünfhundert unschätzbar wertvoller Reiseandenken gestohlen. Sein Versuch, bei einem lokalen Polizeibeamten Gehör zu finden, schlägt angesichts dessen Gleichgültigkeit fehl. Pointe: Keine.
Rachida und Claude, zwei Franzosen aus Paris bzw. Marseille, schlagen sich mit Straßentheater durch und verdienen im ach so weltstädtischen Berlin kaum einen müden Euro. Daraufhin sucht Claude nach einem geeigneten Milieu für einen fingierten Raub, woraus am Schluß dann unversehens – Pointe! – ein Polizeiwagendiebstahl wird.
All dies ist sehr sommerlich leicht und amüsant, atmosphärisch sehr treffend und auch trefflich gut besetzt, so daß einhundert Minuten flugs vorüber sind und man schließlich das Gefühl hat, ein paar nette kleine Häppchen irgendwo aus Europa serviert bekommen zu haben. Es hätte auch woanders sein können, die Auswahl scheint zunächst mehr oder weniger willkürlich, allein das Fußballendspiel bildet die alles verbindende und motivierende Klammer. Darauf hat Stöhr sichtlichen Wert gelegt und auch darauf, die Nationalitäten gründlich zu mischen und zu kombinieren, was den Eindruck einer allzusehr auf Zufall angelegten Konstellation verstärkt. Eine Britin in Rußland, ein Deutscher in der Türkei, ein Ungar in Spanien und zwei Franzosen in der BRD, das ist wahre Internationalität à la Europa, doch was Stöhr dann weiter aus den nationalen Stereotypen und vermeintlichen Lokalverhältnissen macht, wirkt bestenfalls noch oberflächlich und ein wenig vereinfacht. Klar, es geht hier nicht um ernsthafte Kulturvergleiche oder tiefsinnige Betrachtungen über Europäer in der Fremde, der Spaßfaktor darf auf keinen Fall vernachlässigt werden und schließlich will man um Gottes Willen niemandem zu nahe treten, denn alle sind wir ja Europäer, aber daß die Behörden in jedem verdammten Land gleich autoritär, lahm und eitel sind, ist nun wirklich nichts Neues, daß es in jedem Land neben den Offiziellen auch ganz nette, hilfsbereite und kluge Menschen gibt, dürfte ebenfalls niemandem entgangen sein, der jemals seine Nase über die heimische Grenze gestreckt hat, und die einschlägigen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Nationalitäten sorgen zwar immer wieder gern für Heiterkeit, aber wirklich aussagekräftig finde ich sie auch nicht. Mit anderen Worten: Stöhr hat einen sympathischen und unterhaltsamen Film gedreht, wenn er aber darüber hinaus irgend etwas Originelles über Europa sagen wollte, hat sich mir das nicht mitgeteilt. (17.4.)