Stage Beauty (#) von Richard Eyre. England, 2005. Claire Danes, Billy Crudup, Tom Wilkinson, Richard Griffiths, Rupert Everett, Hugh Bonneville, Edward Fox, Ben Chaplin, Zoe Tapper

   Noch so ein bunter Kostümfilm aus Merry Old England, könnte man denken, und habe ich auch gedacht, als die ersten Trailer im Kino zu sehen waren, und natürlich hat dieser Film zahlreiche Vorgänger - am deutlichsten knüpft er sicherlich an „Shakespeare in Love“ an, aber das war ja auch schon eine sehr hübsche Sache, und „Stage Beauty“ ist für meinen Geschmack sogar noch schöner, ein richtig toller Film, der tatsächlich sämtliche Sinne anspricht und fabelhafte Unterhaltung mit ein bißchen Unterbau bietet.

   Wir befinden uns im halbwegs fotogenen England des 17. Jahrhunderts – Charles II. feiert mit Pomp und Sinnenfreude die Restauration der Tudormonarchie, das gewöhnliche Volk vegetiert wie gewohnt in Schlamm und Dreck, und Samuel Pepys führt als minutiöser Beobachter seiner Zeit sein legendäres Tagebuch, welches später als zeitlos spöttisches Porträt der höheren Gesellschaft in den Kanon aller Anglisten Einzug halten sollte. Pepys begleitet uns auch durch die Geschichte des berühmten Theaterschauspielers Kynaston, der als Kleopatra oder Desdemona Triumphe feiert, da es Frauen selbst streng verboten ist, auf der Bühne zu erscheinen. Seine Garderobiere Maria verfolgt gebannt seine pathetischen Sterbeszenen, spricht jedes Wort nach, vollführt jede seiner hart antrainierten Gesten mit und hat sich längst in ihn verliebt. Er genießt sein Leben als Star, kokettiert mit der sexuellen Zweideutigkeit seiner Person, schläft mit seinem Freund Buckingham und führt mehr oder weniger eine Existenz als Kunstfigur. Diese angenommene Identität wird jäh in Frage gestellt, als Maria ebenfalls auf die Bühne drängt und Charles II. sich dazu hinreißen läßt, das Edikt seines Vaters aufzuheben und Frauen wieder zu gestatten, als Schauspielerinnen zu arbeiten. Kynaston gerät böse aus dem Gleis, sieht sich den Männerrollen zunächst nicht gewachsen, legt sich mit einflußreichen Mitgliedern der feinen Gesellschaft an und fällt fast schon in allgemeine Ungnade, als ihn Marias Liebe und seine Liebe zur Bühne wieder auf den rechten Weg holen. Obwohl er auch zum Schluß noch ihre Frage, wer er nun sei, nicht eindeutig beantworten kann.

 

   Diese Mischung aus Drama, Theaterfilm, Gesellschaftssatire, Ausstattungsepos und Liebesfilm balanciert die einzelnen Nuancen äußerst gekonnt aus, und jedesmal wenn man den Eindruck hat, nun wird’s ein wenig zu ernst oder aber zu burlesk, kommt wieder der Schwenk in die andere Richtung, ändert sich der Tonfall wieder, und all dies geschieht in beachtlichem Tempo aber dabei ohne Hast. Kynastons besondere Position in der Gesellschaft, sein Selbstverständnis als Kunstwesen zwischen Mann und Frau (im Grunde hat er auch kein Verhältnis zu der Frage, ob er nun homosexuell sei oder nicht, denn auch beim Sex mit Buckingham nimmt er den Part der Frau ein) seine enorme Identifikation mit seinen Frauenrollen, die schließlich dazu führt, daß er sich kaum noch als Mann fühlt, all dies wird ausführlich entwickelt und wie erwähnt von komischen und satirischen Szenen gekontert, etwa in Rupert Everetts Auftritten als exzentrischer, launischer und maßloser König oder in launigen und genußvoll überspitzten Szenen aus dem Sitten- und Theaterleben. Auch die zunehmend komplexeren Verwirrungen der Geschlechterrollen und sexuellen Identitäten wird angenehm abwechslungsreich verhandelt, mal als intensives, durchaus psychologisch fundiertes Drama (etwa wenn Kynaston doch einmal anfängt, über seine Biographie nachzudenken), mal mit komischen, derberen Tönen, und ab und zu habe ich mich auch gefragt, ob seinerzeit tatsächlich mit solchen Ausdrücken gesprochen wurde, aber was weiß ich schon vom 17. Jahrhundert. Ansonsten schwelgen wir in bewährt üppigen Bildern, hören flotte und sehr geschickt als Antreiber eingesetzte Musik von George Fenton (der schon häufiger gute, manchmal aber auch weniger hörenswerte Soundtracks gemacht hat) und erleben eine ebenfalls viel bewährte Kombination aus gediegenen, hochkarätigen Charaktermimen mit viel Sinn für witzige Karikaturen (die Herren Griffiths, Fox oder eben Everett wären hier zu nennen) und einem attraktiven Jungpärchen im Mittelpunkt des Geschehens. Aber Danes und Crudup sind nicht nur höchst attraktiv, sie sind zusammen (vor allem zusammen) auch fabelhaft gut, besonders Claire Danes ist wahrlich berückend und ich habe sie noch nie so eindrucksvoll gesehen. Zwei Darsteller mit sehr viel Ausstrahlung und Gefühl, die für mich persönlich der entscheidende Pluspunkt des Films sind. Alles in allem ein perfekt inszenierter, perfekt ausbalancierter Film zwischen Verstand und Gefühl, wie er besser in seiner Art kaum sein könnte. (17.10.)