Sylvia (#) von Christine Jeffs. England, 2004. Gwyneth Paltrow, Daniel Craig, Jared Harris, Michael Gambon, Blythe Danner

   Der Weg von Sylvia Plath 1956 bis 1963, von ihrer Zeit als Stipendiatin in Cambridge, ihrem Zusammentreffen mit Ted Hughes, ihrer Ehe, ihrer Familie mit zwei Kindern, ihrem Leben zwischen England und den USA, ihren Trennungen, Konflikten, Sylvias allmählichem psychischen Zusammenbruch und schließlich ihrem Selbstmord mit gerade 30 Jahren. Und wenn man sehr zynisch sein will, kann man sich fragen, ob Sylvia Plath auch ohne diesen

schlimmen Tod zu solchem posthumen Ruhm gelangt wäre oder ob sie weiterhin ihr Schriftstellerdasein im Schatten des prominenten Gatten gefristet hätte (by the way: who the fuck is Ted Hughes?). Verdient hat sie diesen Ruhm dabei schon: Ihr einziger Roman „Die Glasglocke“ ist für meinen Geschmack ein sehr beeindruckend intensives Zeugnis totaler Innerlichkeit, brillant und bildreich beschrieben, der Kampf einer Frau gegen erdrückende Konventionen, erdrückende Geschlechterrollen und das erdrückende Ich, und ihre Gedichte , die ich nicht kenne, haben nach dem Urteil berufener Leute die gleichen Qualitäten. Kein leichter Stoff, eine manchmal etwas bedrohlich erscheinende, von Ängsten, Neurosen und permanenten Selbstmordversuchen durchzogene hermetische Welt, die nur durch dünne Fäden mit der Außenwelt verbunden ist.

   Keine leichte Vorlage auch für einen Film, der den Versuch unternimmt, uns diese Welt irgendwie nahe zu bringen, und ich habe auch ungefähr zwei Drittel der Zeit gebraucht, bis ich besser reingekommen bin. Bis dahin hatte ich den Eindruck einer gediegenen, ein wenig langweiligen und allzusehr auf gepflegte Bilder gestützten Künstlerbiografie à la „Carrington“ oder „Tom & Viv“, um nur einige aus der langen Reihe zu nennen. Irgendwann aber kommt dann doch mal ein Konzept durch, erscheint der rote Faden, werden die Verbindungen deutlicher. Die gediegene Gestaltung bleibt leider - wie so häufig wünscht man sich, daß ein ungewöhnliches Schicksal auch mal in etwas ungewöhnlicheren Bildern erzählt und nicht automatisch von der ewig gleich gepflegten Musik untermalt werden könnte, aber die Gesetze dieses Marktes scheinen unumstößlich zu sein. Mir fehlt auch eine eingehendere Auseinandersetzung mit Plaths Werk selbst, denn außer einigen flüchtigen Textproben bekommt man wenig zu Gehör, zu wenig für meinen Bedarf. Andererseits gelingt es aber dann doch nach einer gewissen Anlaufzeit, die oben angesprochene, sehr in sich abgeschlossene Lebens- und Gedankenwelt Sylvia Plaths optisch und darstellerisch zu verarbeiten und wenigstens in Teilen verständlich zu machen, ich sage in Teilen, weil es halt sehr schwer ist, sich ganz in einen so introvertierten, sperrigen Charakter einzufühlen. Manchmal genügen ein paar Sequenzen – Sylvias und Teds amerikanische Episode beispielsweise, die Konfrontation mit der Mutter und ihrer spießigen, prestige- und standesbewußten Clique und Ahnung davon, wie ungefähr Sylvias Kindheit ausgesehen haben mag, erst recht nach dem frühen Tod des Vaters. Oder die Szenen aus der scheinbar unbeschwerten Studentenzeit in Cambridge, wo schon schlagartig klar wird, daß stets Ted im Vordergrund stehen wird, nicht weil er der bessere Schriftsteller ist, sondern weil er der Mann ist, weil er bei Frauen gut ankommt, weil er sich in Gesellschaft einfach besser bewegen kann. Sylvia wird immer hinter ihm zurückstehen, anfänglich tut sie das freiwillig und gern, doch mehr und mehr empfindet sie ihre Unterordnung als beengend, unbefriedigend, Neid und Eifersucht gewinnen die Oberhand, ihr fehlt die Bestätigung als Künstlerin, als Frau, die Anerkennung als Person unabhängig vom strahlenden Ehemann. Diese Konstellation trifft sehr fatal zusammen mit ihrer schwierigen Vorgeschichte, in der es bereits viele Selbstmordversuche gab, und leider bleibt der Film auch hier zu unkonkret und unscharf. Sehr konkret und eindringlich dagegen ist das letzte Drittel, in dem Sylvia endgültig zur Gefangenen wird, geplagt von Eifersucht und Schreibblockade, ewig unter dem Druck stehend, eine gute Frau und Mutter sein zu müssen und eine Künstlerin sein zu wollen, gefangen auch von der Beziehung zu Ted, die nicht mehr funktioniert, ohne die sie aber scheinbar auch nicht existieren kann. Bilder und Erzählrhythmus passen sich in dieser Phase der Eintrübung, dem Rückzug sehr gut an, und auch jetzt wird klar, daß Gwyneth Paltrow doch eine ziemlich gute Wahl für diese Rolle ist und durchaus nicht das befürchtete Leichtgewicht in anspruchsvollem Gewand. Plaths Äußeres der attraktiven, all-american Blondine hat immer für Mißverständnisse gesorgt, und Paltrow transportiert den Widerspruch zwischen der an sich sehr rollenkonformen, fast biederen Fassade und dem komplizierten, unglücklichen Innenleben mit zunehmender Dauer immer überzeugender und liefert damit nach „Emma“ ihre zweite sehr gute Leistung in einem Literaturfilm und wieder mal frag ich mich, wieso Schauspielerinnen wie sie nicht häufiger mal gefordert werden.

 

   Alles in allem also ein Film, der mit der Zeit wächst, und es lohnt sich doch, ihm Geduld und Aufmerksamkeit zu widmen, auch wenn ich finde, daß er nicht in allen Teilen überzeugend ist. Vielleicht wäre eine Verfilmung des Romans eine passende und aufschlußreiche Ergänzung, oder sogar der bessere Weg zum Verständnis, denn ganz offenbar läßt sich Sylvias Plath nicht letztgültig in einer konventionellen Biografie erschließen. (25.2.)