Veer & Zaara (#) von Yash Chopra. Indien, 2004. Shahrukh Khan, Preity Zinta, Rani Mukherji, Amitabh Bachchan

   Daß ein einziger kleiner Wunsch so schnell in Erfüllung gehen könnte – wer hätte das gedacht? Also noch mal Bollywood, und diesmal the real thing, ganz echt und kompromißlos: Dreieinviertel Stunden geballtes Melodram, eine einzige monumentale Hymne auf die große, tragische Liebe, auf das große, fast übermenschliche Opfer, auf das große, einzigartige Gefühl, das schließlich stark genug ist, auch zweiundzwanzig Jahre Trennung, Haft und Unrecht zu überdauern. Zwei Menschen aus unterschiedlichen Ländern, zwei Menschen zerrieben zwischen der traditionellen Feindschaft Indiens zu Pakistan, zwischen politischen und wirtschaftlichen Kalkulationen und zwischen noch immer kaum zu überwindenden Traditionen, nach denen Ehen nach wie vor arrangiert und über die Köpfe des Brautpaars hinweg betrieben werden und Frauen schon mal gar keine Recht auf Selbstbestimmung haben. Doch der Hindu Veer, der indische Rettungsflieger aus dem Punjab, und die Muslimin Zaara, die Tochter aus gutem Hause in Lahore knapp jenseits der Grenze, empfinden so wahr und tief füreinander, daß sie alle Hindernisse, wenn auch mit beträchtlicher Hilfe durch eine junge Anwältin, überwinden und letztlich doch als vereintes Paar die Grenze nach Indien überqueren.

 

   Im Vergleich zu Chadhas Film, der zumal um zirka siebzig Minuten kürzer ist, funktioniert dieser nach etwas anderen Regeln. Richtig Spaß macht höchstens die erste Hälfte, die eigentliche Liebesgeschichte, das Kennenlernen unterwegs, das Hin und Her zwischen den beiden Kulturen, das mit soviel Schwung und Charme dargeboten wird, wie man es aus indischen Produktionen gewohnt ist. Ein Schatten liegt allerdings von Anfang an über dem Ganzen, denn die erzählerische Klammer präsentiert unseren Helden müde und gebrochen im pakistanischen Gefängnis ohne Aussicht auf Freilassung oder Rehabilitierung, und so entwickelt sich die Geschichte in der Erinnerung unerbittlich auf eine unerfüllte weil unerfüllbare Liebe und auf absichtlich zugefügtes Unrecht zu, und erst der spektakuläre Prozeß zur Ehrenrettung Veers wird dann zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für Menschenrechte, Gerechtigkeit, Humanität, und am Ende entschuldigt sich sogar der Richter im Namen Pakistans und der alte Staatsanwalt erkennt, daß nun in beiden Ländern eine neue Generation am Ruder ist, die auf Versöhnung und Neuanfang setzt statt die traditionelle Feindschaft auf ewig betonieren zu wollen. Ob das nun angesichts der realen Verhältnisse dort drüben pure Naivität ist oder die indische Version vom Prinzip Hoffnung, sei dahingestellt und ich kann dies auch nicht beurteilen. Der Film macht aber auch sonst ein paar überaus deutliche politische Aussagen: Er setzt in sich Gestalt der jungen, forschen Zaara für mehr Frauenrechte ein (sie fordert in Veers Heimatdorf eine Hochschule für Mädchen – und bekommt sie auch!) und wendet sich einmal mehr gegen die bevormundenden und einengenden Familientraditionen, die politisches Kalkül über die Gefühle stellen. Dies alles wird mit den gewohnten Zutaten des Genres verquirlt – ausladende Gesangsnummern, wenn auch weniger Tanz – und ist mir persönlich nicht ganz so nahe gegangen wie Chadhas viel komischerer Film, aber auch wenn ich es mit Melodramen an sich nicht so habe, muß ich doch anerkennen, wie professionell und gekonnt das hier gemacht ist, denn ungeachtet kübelweise vergossener Tränen (auch unser Held schluchzt enorm viel) und auch sonst reichlich pathetischer und auch sehr patriotischer Momente kommt überhaupt keine Langeweile auf, weil die Regie die Story jederzeit voll im Griff hat, die Schauspieler ihr Starpotential effektvoll ausspielen und der allgemein sehr emotionale, intensive Stil doch dafür sorgt, daß auch Betonklötze wie ich gern und ohne Reue zuschauen. Dennoch gebe ich gern zu, daß mir die komödiantische, eher lebenslustige Seite Bollywoods  lieber ist (aber wer glaubt schon noch an die eine große Liebe...) (4.9.)