Whisky (#) von Pablo Stoll und Juan Pablo Rebella. Uruguay/Argentinien, 2004. Andrés Pazos, Mirella Pascual, Jorge Bolani

   Obwohl ich es eigentlich absolut nicht wollte, habe ich aus diesem Machwerk dennoch einiges gelernt. Erstens: Südamerika ist nicht gleich Südamerika. An einem Tag kann ich einen tollen Film von dort sehen, am nächsten schon wieder einen äh nicht so tollen. Zweitens: Ich sollte nie nie nie wieder die Lobeshymnen lesen, die immer im Begleitprogramm abgedruckt sind und mir verraten, auf welchen Independentfestival dieser Film nun wieder die Überraschung und der große Publikumsliebling war. Und wenn ich so was dann doch lese, darf ich es wenigstens nicht glauben oder mich in meiner Vorerwartung beeinflussen lassen. Drittens: Glaube auch nicht alles, was sogenannte seriöse Kinomagazine äußern – vor allem dann nicht, wenn sie katholisch sind! Viertens: Sogenannte Außenseiter sind nicht immer gleichzusetzen mit gut – aber das weiß ich nun schon lange und falle doch immer wieder drauf rein. Aber an dieser Stelle verkünde ich gleich hier und unumstößlich, daß ich den bereits annoncierten mongolischen Film demnächst nicht sehen werde, auch wenn noch so viele lachende Kamele darin vorkommen! Aus der dritten Regel geht zugleich hervor, daß ich mißtrauisch sein muß, wenn Vergleiche zu anderen Filmemachern herangezogen werden. In diesem Fall hier tauchen Namen wie Kaurismäki oder auch Jarmusch auf, und wie fast immer sind diese Vergleiche nicht nur überflüssig und dumm, sondern auch regelrecht irreführend, denn dieser Film hier hat nichts von den Qualitäten, die die besseren Werke der beiden genannten Herren auszeichnen.

   Er hat auch sonst nicht viel, um ehrlich zu sein, und ich täte ihm zudem unrecht, wenn ich nun viele Worte über ihn verlieren würde, denn die hier vorkommenden Leute verlieren auch nicht viele Worte. Drei Stück sind es, der Sockenfabrikbesitzer Jacobo aus Montevideo, seine Angestellte Marta und Jacobos Bruder Herman, ebenfalls ein Sockenfabrikbesitzer, nur wohnt der mittlerweile in Brasilien. Ihrer beider Mutter stirbt und Jacobo erwartet Herman nun zur Grabsteinsetzung als Gast in seinem Haus. Er bittet Marta, für diese Zeit als seine Ehefrau aufzutreten, um dem Bruder gegenüber nicht als einsamer Loser dazustehen. Marta läßt sich auf das Spielchen ein, man fährt zu dritt ans Meer, und während sich Jacobo ruppig, wortkarg und abweisend wie gewöhnt verhält, macht Herman den Charmeur und gewinnt prompt (zumindest ein bißchen) das Herz der nun auch nicht gerade mondänen Marta. Die Begegnung bliebt nicht ohne Folgen, denn am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub steht Marta nicht wie seit Jahren üblich frühmorgens am verschlossenen Tor und wartet auf ihren Chef.

 

   Das könnte eine lakonische, verschmitzte, hintergründige, zärtliche Komödie über unbeholfene, alternde, schüchterne Menschen sein, die gefangen sind in einer festgemauerten Routine und ihrer Einsamkeit und der fehlenden Übung im Umgang mit anderen. Es könnte auch eine vorsichtige Liebesgeschichte ohne Worte sein zwischen zweien oder dreien, die sich mehr wünschen als sie sich trauen. Es könnte auch, was weiß ich, ein Film über zwei Brüder sein oder über Orte in Uruguay oder sonst was, es ist aber eigentlich ein Film, der all diese Möglichkeiten verspielt, weil er nicht den Unterschied kennt zwischen lakonisch und langweilig. Und dieser Unterschied ist entscheidend, und deshalb ist der Name Kaurismäkis hier auch völlig fehl am Platze. Kaurismäkis Filme sind lakonisch, der Film hier ist langweilig, nur langweilig und sonst gar nichts. Er zeigt mir Menschen, die mich nicht die Bohne interessieren, die ich nicht mal irgendwie sympathisch finde (ganz anders als die alten Finnen), zeigt uns in unendlich trüben, farblosen, grauen, stumpfen Bildern ihre alltägliche Tristesse, die Eintönigkeit ihres Tuns, die fürchterliche Sprachlosigkeit und Gefühlsarmut ihres Miteinanders. Nach zehn Minuten haben wir all das verstanden, doch daraus entwickelt sich nichts. Höchsten ein paar Minimalverschiebungen, als der Bruder auftaucht, Marta spontan von seinem etwas offeneren Wesen angesprochen wird und Jacobo tief im Inneren so etwas wie Eifersucht zu hegen scheint. Nichts daran ist irgendwie komisch, nichts ist spannend, alles schleppt sich fad und öd dahin, und ich persönlich wollte irgendwann gar nicht mehr wissen, wie sich alles nun entwickeln würde, weil mir das Geschehen in keiner Weise naheging. Na gut, den Film kann ich schnell vergessen (werd ich auch!), nicht aber die finale Einsicht, daß Trübsinn als Stilmittel längst nicht von jedermann beherrscht wird. Kaurismäki kann das wie kein zweiter, aber die beiden Regisseure hier, die können das eindeutig nicht. (19.5.)