Adams Æbler (Adams Äpfel) von Anders Thomas Jensen. Dänemark, 2005. Mads Mikkelsen, Ulrich Thomsen, Paprika Steen, Nicolas Bro, Ali Kazim, Nikolai Lie Kaas, Ole Thestrup

   Wenn der Name von Anders Thomas Jensen ins Spiel kommt, ob nun als Autor oder auch gleich als Regisseur, ahnt man schon, daß der dazugehörige Film mehr oder weniger schräg ausfallen dürfte. Und vielleicht fühlt sich Jensen diesem Ruf und den daran geknüpften Erwartungen mittlerweile dermaßen verpflichtet, daß er auch gar nicht mehr herauskommt aus einer Schublade, in der ich persönlich ihn nicht so gerne sehe, denn bei jedem neuen Film, den ich von ihm sehe, spüre ich dieses Gefühl, daß ich Schrägheiten um ihrer selbst willen irgendwie nicht so toll finde. In jedem neuen Film sehe ich außerdem Szenen, die durchaus tiefer gehen und ernsthaftere Ansätze versprechen könnten, doch dann platzt todsicher wieder irgendwas irres oder blutiges dazwischen und der Effekt ist dahin. Man kann sich über eine gewisse Strecke durchaus sehr gut amüsieren dabei, doch habe ich auch diesmal die gut neunzig Minuten im ganzen wieder als eher anstrengend erlebt.

   Dabei ist der Ausgangspunkt fabelhaft vielversprechend: Ulrich Thomsen muß als straffälliger Neonazi in der Landgemeinde des Pfarrers Mads Mikkelsen irgendwelche Sozialstunden oder ähnliches ableisten und gerät dort in eine mehr als skurrile Gemeinschaft, bestehend aus einem jähzornigen Moslem, einem schüchternen Kleptomanen und eben jenem Pfarrer, der sie alle an Merkwürdigkeit locker übertrifft, der aber selbst den total auf Abwehr und Haß gebürsteten Nazi dazu bringt, im Lauf der Zeit einzulenken und sein gesamtes Denken und Handeln zu revidieren. Am Schluß bleibt er bei dem mittlerweile schwer versehrten Pfarrer und tut mit ihm gemeinsam den Dienst an der verirrten Seele, und wie genau es dazu kommt, muß man sehen, das kann nicht erzählt werden.

 

   Wir haben die üblichen Verdächtigen an bravourösen Schauspielern (vor allem Thomsen als Nazi und Mikkelsen als Pfarre sind irre), wir haben herrliche Impressionen aus Südfünen mit richtig viel ländlichem Dänemark drin und wir haben die Idee eines Mannes, der das biblische Wort von Liebe und Versöhnung so wörtlich nimmt, daß er sich über die Gegebenheiten der Realität ganz einfach hinwegsetzt. Gerade dies, das Leben und Denken in einer komplett anderen Welt, die groteske Umdeutung auch negativster Vorkommnisse und die schier unglaubliche Bereitschaft, in allem und jedem noch einen Ansatz zum Guten sehen zu wollen, verblüfft seine Zöglinge nicht nur, es entwaffnet sie letztendlich im wörtlichen Sinne, und so zieht sogar ein finster gewaltbereiter Nazimob unverrichteter Dinge wieder ab (fast jedenfalls...) und so wird auch der grimmige, unzugängliche Ulrich Thomsen zum Schluß geläutert. Leider eben entwertet Jensen diese an sich sehr reizvolle Konstruktion durch zu viele zu grobe Gags, die irgendwann willkürlich wirken und vor allem den Qualitäten der Schauspieler nicht mehr gerecht werden. Zu viel Geballer mit Schießgewehren ist irgendwann nicht mehr so witzig, und nachdem sich die erste Verblüffung und der erste spaß gelegt haben, merkt man doch, daß dem Drehbuch ein wenig die neuen Ideen ausgehen und irgendwann nichts mehr nachkommt, so daß sich die zweite Hälfte der Geschichte ziemlich dahinschleppt und deutlich an Attraktivität verliert (das Gekicher im Publikum versandete nach ungefähr sechzig Minuten jedenfalls auch). Jensen hat oft dieses Problem, daß er seinen halsbrecherisch wilden Stil nie ganz über die Zeit kriegt, daß ihm früher oder später die Luft ausgeht, und immer habe ich das bei ihm sehr schade gefunden, denn im Grunde sind dies natürlich auch lustige und provokante Gegenentwürfe zur politcial correctness vieler dänischer oder allgemein skandinavischer Filme. Diesmal wäre sicherlich besonders viel drin gewesen,  anders als in einigen der von vornherein anarchischen Gangsterfilme vorher, weswegen ich den Substanzverlust dann auch besonders bedauert habe. (18.9.)