Batalla en cielo (Battle in heaven) von Carlos Reygadas. Mexiko/Frankreich/BRD, 2005. Marcos Hernández, Anapola Mushkadiz, Bertha Ruiz, David Bornstien
“Heaven is a place where nothing ever happens,” dichtete einst so treffend David Byrne, und der Filmemacher Carlos Reygadas scheint sich dieses Motto zu eigen gemacht zu haben, warum auch immer, jedenfalls hat er das Kunststück vollbracht, knappe hundert Minuten zu „gefühlten vier Stunden“ werden zu lassen, wie mein ewiger Mitstreiter beim Verlassen des Saales feststellte. Nun gehöre ich wahrhaftig nicht zu den Kinogängern, die nonstop Action und Lärm zu ihrer Erbauung benötigen, was ich allerdings unbedingt brauche, ist, daß mich ein Film irgendwie berührt. Irgendwas darin – die Geschichte, die Personen, die Idee. Es gibt Filme, die sich massiv dafür anstrengen, andere wiederum arbeiten entgegengesetzt mit so wenig Aufwand wie möglich und erzielen dennoch starke Ergebnisse. Carlos Reygadas hat sich für die totale Reduktion entscheiden – karg ausgebleichte Impressionen aus Mexiko Stadt, hölzern und starr agierende Laiendarsteller, eine allerhöchstens elliptisch umrissene Story, dafür aber maximale Tristesse: Ein schwabbeliges Ehepaar aus den unteren Schichten entführt ein Nachbarskind, das kurz darauf stirbt. Der Mann will die Schuld auf sich nehmen und vertraut sich der Tochter seines Chefs an, die nebenbei als Hure arbeitet und sich auf dieser Basis auch mit ihm einläßt. Er tötet das Mädchen und tut auf einer Wallfahrt Buße, zu der ihn seine Frau gedrängt hat und die er auch nicht überlebt. Am Schluß wird die mexikanische Flagge eingerollt. Symbolik? Botschaft?
Dazu gibt’s ab und zu ein paar Lärmattacken durch dröhnende Militärkapellen, voll aufgedrehte Cembalokonzerte an der Tankstelle oder andere Alltagsgeräusche und es gibt minutenlange, starre Einstellungen, die über Hauswände kriechen, eine Straße abtasten, oder die Gesichter der wenigen Protagonisten erforschen, nur daß es da halt nicht so viel zu erforschen gibt. Marcos und seine Frau leben in einer Ehe, die sich durch planmäßigen wöchentlichen Beischlaf, weitgehende Sprachlosigkeit und tumbes Nebeneinander auszeichnet. Tumb ist überhaupt die richtige Bezeichnung für Marcos – wie ein unbeholfener Tanzbär steht er in den Bildern herum, die Arme hängen unbrauchbar am Körper herunter, nichts von dem wenigen, was er tut, ist mir verständlich oder irgendwie nachvollziehbar geworden, erst recht nicht sein jäher, schockierend blutiger Gewaltakt gegen Anna, und natürlich auch nicht die masochistische Pose als Büßer mit dem Sack über den Kopf, aber da fehlen mir als überzeugtem Nicht-Katholiken natürlich auch ein paar Gene, um solches Verhalten begreifen zu können. Auch sonst ist das stoische Geschehen recht fern von mir abgelaufen. Es gibt ein paar eindrucksvolle Impressionen aus der gigantischen Stadt und ein paar Szenen, die etwas über Erniedrigung aussagen könnten (Erniedrigung sozialer und auch zwischenmenschlicher Art) und sehr viel Leere, außen wie innen, dazu noch etwas vages über Schuld und Sühne, nichts von alledem jedoch ist bis zu mir durchgedrungen und hat mich emotional auch nur im geringsten beschäftigt. Es ist fatal, wenn ein Film, der das öde Leben innerlich toter Menschen zeigen will, selbst tot und öd geworden ist, aber so ist es hier. Und sollte seine größte Provokation tatsächlich in der berüchtigten Fellatioszene ganz am Anfang und am Schluß bestehen? Gibt’s im Zeitalter von Richterin Barbara Salesch tatsächlich noch Leute, die sich von einer sogenannten „expliziten Sexszene“ in ihrem sittlichen Empfinden verletzt fühlen? (16.8.)