Brick (#) von Rian Johnson. USA, 2005. Joseph Gordon-Levitt, Nora Zehtner, Lukas Haas, Noah Fleiss, Matt O’Leary, Emilie de Ravin, Richard Roundtree
Coole Idee: Man nimmt die Versatzstücke der klassischen hard-boiled-Filme aus den 40ern und 50ern und überträgt sie kurzerhand auf High-School-Kids von heute. Das Resultat ist in diesem Fall eine reizvolle Mischung eigentümlich archaischer Charaktere, ebenso archaischer Handlungsmuster, aktuellen Jargons und modernem Styling. Das sieht so aus: Statt der altbekannt mythischen, schattenreichen, symbolbeladenen und immer wieder wirkungsvollen Asphaltwüste à la Chandler und Konsorten dehnt sich vor uns eine unglaublich öde, triste, leere suburbane Campuslandschaft aus schmutzig weißem Beton, verlassenen Sportplätzen, riesigen Parkräumen, toten Vorortkreuzungen und -straßen und obskuren Hinterhöfen aus. Hier scheint rein gar kein Leben zu herrschen, man sieht außer den wenigen beteiligten Kids überhaupt niemanden, mal in der Ferne irgendein kalifornisches Küstenkaff oder einen viel befahrenen Highway, sonst aber herrscht fast gespenstische Ruhe in vollkommenem Gegensatz zur brodelnden wenn auch morbiden Vitalität des alten L.A. oder Chicago oder so. Die Kriminalität hingegen ist, wenn auch heutigen Verhältnissen angepaßt, so doch im Grunde bekannt: Drogengeschäfte, Banden- und Machtkämpfe, Liebe, Eifersucht und das ganze Drum und Dran, das sich früher oder später nach amerikanischer Logik zwangsläufig in Tote und Verletzte umwandelt, so auch hier:
Ein Mädchen gerät in Bedrängnis, ruft um Hilfe, verschwindet, taucht dann tot wieder auf, ihr Ex, der gern als Schnüffler agiert und sie immer noch liebt, will wissen, was geschehen ist und schleust sich in die Gang des mächtigsten Heroindealers vor Ort ein. Bald sind die alten Fronten aufgebaut und wir wähnen uns nun tatsächlich in einem Werk aus der Schwarzen Serie: Der immer etwas schludrige, kaum gesellschaftsfähige, einzelgängerische und mürrische Private Eye, total uncool gekleidet und frisiert, der unendlich viel auf die Rübe kriegt, aber dank seiner Intelligenz, Hartnäckigkeit und Dreistigkeit am Ende alles erfährt, was er erfahren muß und die meisten seiner Gegner überlebt. Dazu sein Sidekick, der emsige, unauffällige Informationssammler und treue Kumpel im Hintergrund. Dan das tragisch auf Abwege geratene Mädchen, der gefallene Engel in Blond, den unser Held nicht mehr retten kann, wofür er sich ewig Vorwürfe machen wird. Dann das andere Mädchen – dunkel, sexy, verführerisch, offensiv aber zwielichtig, und unser Held kann seinem inneren Sensor vertrauen, der ihm sagt, Finger weg von der Frau, der kannst du nicht trauen. Sie ist es am Schluß, die die Fäden gezogen hat mit echt weiblich intriganter Raffinesse und Kaltblütigkeit, und mit echt männlicher Resignation läßt der Held (Brendan heißt er) sie ziehen, schaut ihr hinterher und weiß, daß so eine Frau doch immer wieder auf die Füße fallen wird. Dann die Opposition: Der dunkle, enigmatische Drogenboß, cool, unberührbar und doch im Inneren irgendwie verletzt und versehrt, und daran wird er am Ende sterben. Sein Gorilla, Dumpfbacke und Schläger alter Schule, der sich von dem schlauen Brendan auf die andere Seite ziehen läßt und daran auch stirbt. Ein paar Junkies oder Freaks am Rande, einige zum Sterben verurteilt, andere dazu, von Brendan gedemütigt und düpiert zu werden, Kanonenfutter eben, wie es solche Filme immer brauchen.
Rian Johnson verzichtet total auf glatten Glamour, spekulative Gewalt oder andere kommerzielle Tricks. Er spielt sehr geschickt mit bewährten Genreelementen, baut eine Story auf, die immer verwickelter und undurchsichtiger wird und die oft genug die Frage aufwirft, ob es sich hier nun um reale und greifbare Fakten handelt, oder ob Brendan sich in seiner verzweifelten Liebe nicht in eine gewisse Paranoia steigert. Man muß aufpassen, um die Namen auseinander zu halten und für sich zu überblicken, wer nun für wen ist und wer gegen wen und wer welche Interessen verfolgt und überhaupt. Erzählt wird in sehr hohem Tempo, mit flott und abrupt weggeschnittenen Leerstellen (fand ich persönlich ebenso witzig wie gelungen), und immer treibt unser Held teilweise als Opfer dann wieder als geschickter Taktierer durch den Strom der Ereignisse, der auf den unvermeidlichen Showdown hinausläuft. Hier gibt’s aber kein Melodrama und auch nicht sonderlich krasse Gewalt, gestorben wird bis auf ein Mal im Off, und zumeist erfreuen wir uns sowieso nur an Brendans gammeligem Trench, den Schlabberjeans, der Muffelmiene und seiner notorisch zerschundenen Visage - wir erinnern uns: Auch Bogey hat einst für sein forsches Mundwerk unendlich viel Dresche bezogen, und seinem jungen Bruder im Geiste geht es sechzig Jahre später genau so. Manchmal wirkt sich Johnsons atmosphärisch äußerst intensiver Stil fast schon negativ auf uns Zuschauer aus, da sich die Tristesse und Ödnis der Bilder und Szenarien auch auf uns überträgt, insgesamt aber ist dies ein sehr origineller, unkonventioneller und interessanter Versuch Alt und Neu zu verbinden, und die daraus gewonnene Einheit ist doch überraschend organisch. Doch mal wieder was Neues aus Hollywood. (29.9.)