Candy (#) von Neil Armfield. Australien, 2005. Abbie Cornish, Heath Ledger, Geoffrey Rush, Tony Martin, Noni Hazlehurst, Tom Budge, Roberto Meza Mont 

   Von Down Under kommen leider nur wenige Filme zu uns in die Häuser, die wenigen aber haben es meistens in sich. So auch dieser, ein intimes, bedrückendes Drogendrama über ein junges Paar, Candy und Dan, die es zusammen nicht schaffen, von ihrer Heroinsucht loszukommen, die nach der anfänglichen Euphorie, dem ersten Liebesrausch eine erschütternd typische Junkiekarriere  absolvieren, die eine Fehlgeburt, zunehmendes soziales Elend und zunehmende Isolation durchleben und sich schließlich trennen, weil vor allem Dan völlig gegen seine eigenen Gefühle erkennt, daß nur jeder für sich clean werden kann. Dieser Schluß tut eigentlich besonders weh, denn Dan hat sich nach Candy, die nach einem Nervenzusammenbruch länger in der Psychiatrie therapiert wurde, wie verrückt gesehnt und es kostet ihn enorme Kraft, ihr ins Gesicht zu sagen, daß die beiden keine zweite Chance haben werden und alles wieder schief gehen würde. So gibt’s kein unrealistisches Happy End, kein weiteres Versinken in den gemeinsamen Herointod, es gibt einen stillen Abschied, ihre sprachlose Enttäuschung, seinen Schmerz, doch die Vernunft, auch in uns Kinogängern, sagt deutlich, daß dies wohl die einzig sinnvolle Lösung ist.

   Zuvor gibt’s die übliche traurige Drogenstory. Drei Kapitel werden angeboten, Himmel, Erde und Hölle, und bereits im Himmel schießt sich Candy beinahe eine Überdosis, hausen die beiden in dubiosen Verhältnissen, lassen sich von einem ebenso dubiosen väterlichen Freund mit Geld und Stoff versorgen und treiben sie unaufhaltsam dem Abgrund entgegen. Wenigstens aber gibt’s noch Momente des Glücks, rauschhaften Sex und die Kraft, die beide aus ihrer Gemeinsamkeit nehmen. Die bröckelt dann auf der Erde langsam und gründlich ab: Das Geld geht aus, Candy prostituiert sich für den nächsten Schuß und Dan sieht passiv zu, zwar mit schlechtem Gewissen, dennoch unfähig, selbst irgend etwas zu tun. Sie heiraten zum Entsetzen von Candys Eltern, Dan verspricht immer wieder, Pläne und Ideen zu haben und bald was auf die Beine zu stellen, doch natürlich geht es bald nur noch darum, irgendwie an den Stoff heranzukommen. Die Hölle tut sich auf: Candy hat eine schmerzhafte Fehlgeburt, die beiden entfremden sich, Haß und Aggressionen treten hervor, und auch in einer Bruchbude draußen auf dem Land kommen sie nicht wieder zusammen. Die Hölle ist aber nicht nur die übermächtige Sucht, die Hölle ist vor allem die Einsamkeit, die auf die beiden wartet.

   Neil Armfield hat seine Romanverfilmung äußerst intensiv und konzentriert gestaltet. Die beiden tragen die Geschichte praktisch allein, Candys Eltern oder der skurrile Freund Casper sind eher Randerscheinungen, die das Drama der beiden nuancieren und von außen beeinflussen. Das ist auch nicht mal eine besonders komplexe oder tiefgründige Geschichte, es ist im Gegenteil eine furchtbar einfache, grausam banale Geschichte, deren Verlauf mehr oder weniger vorhersehbar ist, aber gerade das macht in diesem Fall ihre Wirkung aus, zumal sie so intensiv und eindringlich inszeniert und gespielt ist. Heath Ledger ist als Schauspieler zwar nicht so mein Fall, aber er verkörpert den unbeholfenen, lethargischen Junkie sehr überzeugend und vor allem Abbie Cornish ist glänzend als Candy, die als lebenslustiges junges Mädchen anfängt und als desillusionierte und erniedrigte Süchtige endet. Auch Geoffrey Rush ist hervorragend als Casper, einem wohlhabenden Dandy und offenbar Universitätsmann, der sich nur ein schönes Leben machen will und eher befremdet zusieht, wie Candy und Dan immer tiefer absinken. Aus diesen wenigen Eckpfeilern hat Armfield ein Drama gemacht, das von Anfang bis Ende beeindruckt und bewegt und  zeigt, daß es manchmal nur darauf ankommt, wie man eine Geschichte erzählt, selbst wenn diese Geschichte nicht neu und schon gar nicht schön ist. Sehr starkes Kino und jetzt heißt es abwarten, bis das nächste Lebenszeichen von da unten zu uns durchdringt. (24.9.)