Der rote Kakadu von Dominik Graf. BRD, 2005. Max Riemelt, Jessica Schwarz, Ronald Zehrfeld, Ingeborg Westphal, Devid Striesow

   Vernünftige Filme über die olle DDR zu machen geht nicht von selbst, wie man beispielsweise man Leander Haußmanns Populärklamotten sehen kann. Entweder wird’s platt und doof oder allzu nostalgisch und verklärend, manchmal auch dumpf und trist, und viel besser sind ganz allgemein die Filme aus der Nachwendezeit. Sowieso ist es ja nicht leicht, Privates und Historisch-Politisches so zu verbinden, daß daraus eine runde Sache wird, aber Dominik Graf ist in seinem „Roten Kakadu“ genau dies gelungen: Liebe und Rock’n Roll in den Zeiten des Mauerbaus, in den letzten Monaten bis zum August 1961 genauer gesagt. Eine Dreiecksgeschichte in Dresden, ein junger Student, eine schöne, etwas rätselhafte Dichterin und ihr Mann, der sie betrügt und viel Mist baut, an dem sie aber auch hängt. Der junge Siggi bemüht sich um Luise, die aber alles lieber in der Schwebe läßt, obwohl sie mit Wolle nicht richtig glücklich ist. Parallel dazu spitzt sich die politische Situation zu: Armeeeinheiten werden vom überall zusammengezogen, Ulbrichts Radioansprachen ominöser und beunruhigender, vor allem in Berlin braut sich was zusammen, die Repressalien durch Bespitzelung, drohenden Stasiterror und allgegenwärtig prügelnde Polizeieinheitern nehmen dramatisch zu, so daß für junge Leute, die außerhalb der gräßlich spießigen Staatsnormen Spaß haben wollen, die Luft langsam aber sicher unerträglich dick wird. Der Druck auf die Gruppe wächst, sie wird systematisch und vorsätzlich gespalten, Freunde verraten einander oder verdächtigen sich gegenseitig des Verrats, manche rasten aus und legen sich offen mit den Autoritäten an, viele machen rüber solange es noch geht. Siggi versucht Luise just davon zu überzeugen, doch die will lieber bleiben und doch versuchen, diesen Staat von innen verbessern, weil sie an die Idee glaubt, fast so wie bei Christa Wolf oder Brigitte Reimann. Aber es gibt Schauprozesse mit vorgefertigten Urteilen gegen widerborstige Staatsbürger und ein Auftrittsverbot für die legendäre Theo Schumann Combo, die sonst immer im „Roten Kakadu“ eingeheizt hat. Diese Kneipe im feinen Dresden für die selbsternannte mondäne Bohème der Stadt steht für alles, was der SED-Doktrin verhaßt und in gleichem Maß für die Teenies begehrenswert ist – der Traum von Freiheit, Spaß, (ein bißchen) Sex und Rock’n Roll. Für heutige Begriffe so brav wie nur irgendwas, vor fünfundvierzig Jahren aber nicht nur anzüglich und verrucht, sondern aus Sicht der ewig ängstlichen Behören geradezu systemgefährdend. Die Clique um Luise und Wolle sieht die Musik einerseits als wichtiges Ventil, als Teil ihrer Identität, aber auch als Katalysator für Aktionen, denn ohne dies wäre es schwierig bis unmöglich, sich aus dem zähen, grauen Mief des DDR-Alltags zu irgendetwas Kreativem, Neuem aufzuraffen. Zumal für gewöhnlich die Kultur ganz fest in Händen staatstragender Elemente ist, wie Siggi auch am Theater erfährt, wo er Bühnenbilder gestaltet und hautnah erlebt, wie bis Mitte 61 jedes zarte Pflänzchen, jede Ahnung von Freiheit und Progressivität radikal zertreten wird.

 

   Grafs Film ist nicht einmal besonders anspruchsvoll oder komplex, er ist einfach nur sehr gut gemacht. Geradlinig erzählt und strukturiert, mal dramatisch, mal witzig, mal romantisch, sehr überzeugend gespielt mit vielen gut und liebevoll gezeichneten Haupt- und Nebenfiguren, und vor allem mit viel Gefühl für die Atmosphäre der Zeit gestaltet, ohne seine bemühte Authentizität dabei aufdringlich auszustellen, wie es häufig der Fall ist. Allerdings ist die Geschichte mit gut über zwei Stunden vielleicht um fünfzehn oder zwanzig Minuten zu lang geraten, was sich vor allem in der zweiten Hälfte bemerkbar macht, wenn Graf zwischenzeitlich einen gewissen Stillstand nicht verhindern kann. Zum Schluß aber wird’s richtig spannend: Wolle wird auf der Flucht aus dem Gericht angeschossen, Siggi muß Hals über Kopf aus der Wohnung seiner Tante in Dresden fliehen und kommt gerade noch rüber nach Westberlin, wo er wie viele andere hilflos mit ansieht, wie die Grenze dichtgemacht, die Mauer hochgezogen wird, etwas geschieht, was in dieser Weise  kaum jemand vorher hatte glauben wollen. Luise aber wird ihm nie folgen, obwohl sie es versprochen hat, und die beiden sehen sich nicht wieder. Was hier besonders stimmt, ist das Gefühl für die Personen und ihr Leben, die perfekte Abstimmung von Liebe und Politik und was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben können, kurz ein Film mit Herz und Unterbau und insgesamt sehr schön. (22.2.)