Eden von Michael Hofmann. BRD, 2005. Josef Ostendorf, Charlotte Roche, Devid Striesow, Leonie Stepp, Manfred Zapatka

   Eden ist die junge Mutter einer kleinen behinderten Tochter Leonie und Ehefrau eines netten Mannes Xaver. Sie arbeitet als Kellnerin in einem Kurbetrieb (oder so) und er gleich nebenan als Schwimm- und Tanz- und Allgemeinanimateur für ältere Herrschaften. Sie lernt Herrn Gregor kennen, einen beleibten und genialen Koch, der seien gesamte Sinnlichkeit in eigene Kompositionen legt und sonst gern im Café sitzt und von fern und mit viel Sehnsucht Frauen betrachtet, so auch Eden. Die beiden freunden sich an, entwickeln eine tiefe, gleichwohl platonische Zuneigung, was aber Xaver nicht versteht, denn der ist eher geprägt vom schlichten Geschlechterverständnis, das heißt, er selbst nimmt sich die Freiheit, einmal pro Woche mit den Kumpels im Striplokal den „großen Max“ zu machen, wie Eden sehr wohl weiß, würde aber seiner Frau eine ähnliche Freiheit niemals zubilligen. Folglich kommt es zu heftigen Eifersuchtsszenen, die schließlich in grober Handgreiflichkeit münden und das feine Netz des Vertrauens zwischen Gregor und Eden brutal zerreißen. Xaver zerstört vorsätzlich Gregors Existenz, jagt ihn durch den Wald und kommt schließlich unglücklich zu Tode, als der schwere Koloß von hoch oben aus einem Baum direkt auf sein Genick kracht. Gregor geht ins Gefängnis, doch als er Jahre später wieder frei kommt, macht er die erste kulinarisch wertvolle Imbissbude der Republik auf und Eden wird auch wieder dort sein.

   Das Motiv von der Kochkunst als eine Art erotischer Katalysator ist wirklich nicht neu und findet sich in mehreren Filmen aus Dänemark, Mexiko, Frankreich oder auch Deutschland wieder, doch selten oder nie wurde dieses Thema so intensiv, subtil und überzeugend umgesetzt. Auch wer kein Freund von Stierhoden, zerquetschten Enten oder glibberigen Tentakeln ist, kann allein anhand der menschlichen Reaktionen auf die diversen Gaumenfreuden ahnen, welch beglückende Tiefenwirkung sie haben mögen. Die zunächst ungläubig, dann entrückt lächelnden, fast meditativ versunkenen Mienen der Restaurantbesucher, die sich unter diesen überwältigenden Eindrücken zu einer verschworenen Gemeinschaft formen, weil sie alle die gleiche sinnliche Erfahrung machen, sind eine so schöne Idee, weil sie viel mehr ausdrücken als langwierige Dialoge. Überhaupt ist dies ein Film weniger Worte, dies ist ein Film der Momente, der Begegnungen, der Blicke. Die fast kindlich breit strahlende Eden entdeckt mit Neugier und offener Begeisterung eine ganz neue Welt der Genüsse, und eben diese Genüsse helfen ihren eigenen, in letzter Zeit ein wenig abgestumpften Empfindungen und ehelichen Ritualen wieder mächtig auf die Sprünge -  sogar ein zweites Kind ist schlußendlich da, aber Xaver ist bereits tot und die Beziehung zuvor zerbrochen, weil er sich so verständnislos und roh verhalten hatte. Gregor, der noch nie eine Frau hatte und offenbar eher unter ödipalen Umständen aufgewachsen ist, hat gelernt, seinen dicken Bauch zu einem Kult zu machen und fast nur noch auf der kulinarischen Ebene mit der Umwelt zu kommunizieren. Seine Schüchternheit, seine linkischen, stotternden Annäherungsversuche sind vergessen, wenn er sich als wahrer Magier an Töpfen und Pfannen austobt und schon die Zubereitung der Mahlzeiten zu einem erotischen Trip macht. Die kleine mongoloide Leonie dient als erleichternde Brücke zu Eden, ihr kann er seine Gefühle gefahrloser zeigen, sie ihrerseits kennt keine Hemmungen und Regeln, die sie davon abhalten, den dicken Mann zu jeder Zeit zu besuchen, um die feine Schoko-Cola-Soße zu kosten.

 

   Ein stilles, intensives Drama mit schönen komödiantischen Tönen, ein Film für gute Schauspieler und die gibt es hier tatsächlich, vor allem Josef Ostendorf als der Koch ist grandios in seiner Präsenz, dem Einsatz seiner Mimik und Stimme, aber auch Charlotte Roche ist jenseits ihrer gewohnt nervend forcierten Flapsigkeit ganz gegen den Strich besetzt als zarte, träumerische, ätherische junge Frau, Striesow ist gewohnt stark als gebrochener Typ, dem man auch nicht so ganz total böse sein kann, und Mannie Zapatka ist mal wieder der Alptraumvater, den er auch in kleinsten Rollen so furchtbar einprägsam verkörpert wie kein zweiter. Das ist keine alltägliche Liebesgeschichte, sondern mal was anderes, skurril, originell, sehr warm und zärtlich in Szene gesetzt, aber auch der schönste Film wird mich nicht davon überzeugen, Stierhoden so gierig aus der Pfanne zu mampfen wie Eden das hier tut. (25.11.)