Emmas Glück von Sven Taddicken. BRD, 2005. Jördis Triebel, Jürgen Vogel, Martin Feifel, Hinnerk Schönemann, Nina Petri

   Emmas Glück liegt im Leben auf dem Land, genauer im selbstbestimmten Leben im Hochsauerlandkreis auf dem Bauernhof ihres Opas, der offenbar genau so ein Querkopf und Trotzkopf war wie sie, und so lebt sie fernab der Zivilisation buchstäblich zwischen Hühnern und Schweinen, mißtrauisch beäugt von der nahen Gemeinde, vergeblich umworben vom braven Dorfpolizisten und schließlich bedrängt von den unvermeidlichen teutschen Behörden, die ihr den Strom abdrehen und mit Verpfändung drohen, wenn sie nicht ihre Rechnungen begleichen kann. Aber sie scheint in innerem Einklang mit sich und ihrer Welt zu leben – die Schweine werden  ins Heu unter einen Baum geführt, dort liebevoll umarmt und gekost bevor Emma ihnen dann kurz und schmerzlos die Kehle durchschneidet, und ihren erotischen Kick holt sie sich auf ihrem Motorrad, das so eine schöne Unwucht hat und bergab so herrlich vibriert, das es sie glatt in die Wiese haut. In diese Welt rauscht eines Tages Max. Max hat Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium, will aber noch einmal nach Mexiko, also klaut er seinem Freund und Chef Hans einen Batzen Schwarzgeld und einen Jaguar, kommt aber in der anschließenden Verfolgungsjagd nicht sehr weit und katapultiert sich schließlich bei vollem Speed einfach durch die Leitplanke in die Botanik. Emma holt ihn aus dem Auto, schnappt sich erst mal das Geld und kassiert auch Hans ein, der den Flüchtigen tatsächlich aufspürt. Doch dann wird daraus doch eine Liebesgeschichte, die in Emmas und Max’ Heirat endet und dann damit, daß Emma Max auch unter den Baum führt und ihm einen schmerzlosen, schnellen Tod in ihren Armen beschert.

 

   Was durchaus ein schwülstiges, überzogenes Melodrama hätte werden können, präsentiert sich hier als wunderschöner und sehr zu Herzen gehender Liebesfilm, der genau den richtigen Ton trifft zwischen Liebe, Trauer, Zärtlichkeit und Tragödie und auch den Humor nicht zu kurz kommen läßt, denn es gibt viele witzige skurrile Gestalten am Rande, manche durchaus auch schon im Bereich der Karikatur, doch ist Taddickens vorzügliche Regie so straight und gleichzeitig dezent und klar, daß die Balance stets gewahrt bleibt. Und so kommt Emma nicht als lehmbeklotzter Emanzenfreak daher und Max auch nicht als masochistisch leidender Krebspatient, sondern beide sind Typen mit eigener Geschichte, mit Ecken und Kanten, und als Zuschauer habe ich mir eigentlich nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob sie nun realistische Personen sind oder eher nicht. Woran natürlich Jördis Triebel und Jürgen Vogel die Hauptschuld tragen, denn die beiden sind ganz toll zusammen, gestalten ihre Szenen mit wunderbarer Intensität und setzen sich einfach darüber hinweg, daß dies vielleicht am Ende nicht „mehr“ als ein Märchen ist. In diesem Märchen wird der recht egoistische und materiell fokussierte Hans am Schluß plötzlich doch zum liebenden Freund, und auch der sehr schlichte, unbedarfte Dorfpolizist überwindet seine Enttäuschung und Eifersucht und hilft Emma ebenfalls aus der Not. Alles in unbedingt im Einklang mit der harten Wirklichkeit, aber von Anfang an entwickelt die Geschichte sowieso ihr eigenes Flair, ihre eigene Dynamik und bleibt bis zum Schluß ganz konsequent dabei. Emma lernt, gegen ihre Erfahrungen, gegen ihr Mißtrauen und die Scheu nach jahrelangem Eremitenleben einen Menschen an sich heranzulassen und neben sich zu akzeptieren, und Max lernt, seine Ängste und Schmerzen herauszulassen und sich einem Menschen anzuvertrauen und gar auszuliefern, was dann letztlich soweit geht, daß er sich von Emma töten läßt. Auch noch diese letzte Szene ist ganz zärtlich und ruhig inszeniert, nicht verklärt und auch nicht verharmlost, so wie der gesamte Film sehr schön auf diese Weise funktioniert. Die Bilder dazu sind genau richtig, sehr lyrisch und malerisch, manchmal ein wenig entrückt, dann aber wieder rechtzeitig auf dem Boden der Tatsachen, und überhaupt ist dies eine großartige Alternative zu den sonst dominanten Großstadtgeschichten und einer der schönsten deutschen Liebesfilme der letzten Jahre. (30.8.)