Fremde Haut von Angelina Maccarone. BRD, 2005. Jasmin Tabatabai, Anneke Kim Sarnau, Hinnerk Schönemann, Jens Münchow, Nina Vorbrodt, Navid Akhavan

   Jasmin Tabatabai, die ich fast immer schon besser gefunden habe als die Filme, in denen sie auftrat, hat jetzt endlich mal die Rolle bekommen, die ihre beachtlichen schauspielerischen Fähigkeiten voll zur Geltung bringt, und der ganze Film dazu ist auch so richtig klasse. Sie spielt Fariba, die aus dem Iran nach Deutschland fliehen will, weil sie wegen ihrer Homosexualität in Teheran nicht mehr leben kann. Natürlich gibt sie der Einwanderungsbehörde politische Gründe an, und doch kriegt sie nur durch einen tragischen Zufall überhaupt die Chance auf eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis im Königreich der schleppenden Bürokratie. Ein Landsmann begeht aus Angst vor der Abschiebung Selbstmord und sie nimmt seine Identität an und kann so zunächst mal im Asylantenheim zwischengelagert werden. Ein russischer Mitbewohner besorgt ihr/ihm eine illegale Arbeit in der größeren Fabrik, die immer mal ein paar Asylanten unter der Hand beschäftigt, und sie schreibt regelmäßig Briefe an die Eltern des toten Landsmanns und schickt ihnen Geld. Eine Zeitlang mogelt sich Fabriba so durch, obgleich ihre wirkliche Identität ständig aufzufliegen droht und sowohl der Machismo der deutschen Kollegen als auch Neid und Mißtrauen anderer Asylanten für Dauerstreß sorgen. Der nimmt noch zu, als sie Anne kennenlernt und sich in sie verliebt. Anne arbeitet auch in der Fabrik, hat mit einem Kollegen ein Kind und hält Fariba natürlich zunächst für einen Mann, doch wunderbarerweise verkraftet sie das doppelte Coming Out und steht weiterhin zu ihrer Liebe. Ein Happy End gibt es jedoch erstmal nicht: Fariba wird doch in den Iran abgeschoben, ist zwar entschlossen, als Mann zurück nach Deutschland zu kommen, aber ob ihr das gelingen kann, bleibt offen.

   Verblüffend locker und wie selbstverständlich meistert Angelina Maccarone das anspruchsvolle Programm ihres Drehbuchs, nämlich eine Geschichte zugleich über die Liebe, über Politik und über ständig wechselnde Identitäten so zu erzählen, daß alle Aspekte gleichrangig vertreten sind und das Ganze weder an diesem Ballast erstickt noch sich in Banalitäten totläuft. Mit viel Ruhe und Gründlichkeit werden sowohl politischer, privater und Arbeitsalltag beschrieben, wird das fürchterliche und vielfach entwürdigende Verfahren auf Flughäfen und Einwanderungsbehörden gezeigt, die Elendquartiere in Containern, die ständige Angst, wieder in die Heimat fliegen zu müssen zurück zu Verfolgung, Folter, Tod, die Kurzschlußhandlungen einiger, die in Panik blindlings losrennen oder sich eben umbringen. Später dann das Miteinander mit anderen Asylanten und deutschen Kollegen, der ganz alltägliche Rassismus, die scheinbare Unvereinbarkeit der verschiedenen Kulturen („Komm, trink einen, Ayatollah, dein Allah guckt schon nicht hin...“), die latenten Aggressionen gegen das Fremde, und weiterhin die  Angst vor der immer präsenten Polizei, vor dem immer drohenden Zugriff der Behörden. Parallel dazu Liebe und Identität: Fariba jongliert auf einem dünnen Seil, gerät häufig in prekäre Situationen im Zusammenleben mit den vielen Männern und deren Vorstellung von Männlichkeit und Kumpanei. Sie eignet sich mit viel Geschick ein paar typisch männliche Züge an, kann sie ale täuschen, nur die eigenen Gefühle kommen ihr dann in die Quere, als sie Anne trifft und  weiß, früher oder später wird sie die Tarnung aufgeben müssen. Abgesehen davon muß sie natürlich auch noch einen ungeheuren Kulturclash verkraften, denn wer aus der 10-Millionen-Metropole Teheran kommt und nun mit der schwäbischen Provinz nahe Stuttgarts konfrontiert wird, der hat doch eine gewisse Umstellung vor sich, um es mal vorsichtig auszudrücken. Als der Druck dann übermächtig wird, offenbart sie sich Anne, die sich ja eigentlich in einen jungen Mann verliebt hatte, und die Tatsache, daß Anne das scheinbar ziemlich relaxt hinnimmt, wird im Film mit wunderbarer Beiläufigkeit gezeigt. Diese Unaufgeregtheit zeichnet ihn allgemein aus, es gibt kein Pathos und keine flammenden Bekenntnisse, muß es auch gar nicht geben, denn statt dessen gibt es sehr viel Feinfühligkeit und Realismus, deutschen Gegenwartsalltag pur sozusagen, es gibt eine sehr schön zärtliche Liebesgeschichte und die komplexe, zunehmend spannende Geschichte einer Frau, die versucht, in einem anderen Land Fuß zu fassen und die auch noch öffentlich lügen muß, um überhaupt vielleicht mal angehört zu werden. Der so einfache wie vieldeutige Titel „Fremde Haut“ spiegelt sehr treffend das Konzept des Films – mit scheinbar einfachen Mitteln ein überaus vielgestaltiges Thema zu behandeln, und das ist ihm wirklich bestens geglückt, dank eines tollen Drehbuchs, einer hervorragenden Regie und der beiden großartigen Hauptdarstellerinnen, vor allem der Tabatabai, die so gut ist wie noch nie, was aber wie gesagt hauptsächlich an der Rolle liegt. Wie ihr die schwierige Verwandlung in einen Mann gelingt, wie sie immer wieder ihre Gefühle als Frau für eine andere Frau durchblicken läßt, sich dann wieder in eine Frau zurückverwandelt und sofort das Opfer männlicher Gewalt wird, das ist einfach herausragend und wirklich wunderbar gespielt.

 

   Wenn man bedenkt, welchen Stellenwert die sogenannte Migrantenproblematik hierzulande mittlerweile einnimmt, kann man sich eigentlich nur wundern, daß es nicht schon viel mehr Filme darüber gibt. Dies hier ist einer von nur recht wenigen, und für meinen Geschmack einer der allerbesten. (9.3.)