Good night and good luck (#) von George Clooney. USA, 2005. David Strathairn, George Clooney, Robert Downey jr., Patricia Clarkson, Frank Langella, Ray Wise, Jeff Daniels, Tate Donovan

   Dies wird wohl nicht nur ein Jahr deutscher Filme, sondern auch noch ein Hollywoodjahr, denn so häufig wie in den ersten gut drei Monaten war ich seit Jahren nicht mehr bei den Amis zu Gast. Das liegt in erster Linie an den Themen, die wirklich ziemlich vielfältig und interessant sind und die zeigen, daß die Leute dort in den letzten Jahren wieder den Dreh gefunden haben, neben der natürlich weiterhin dominanten Kommerzschiene anspruchsvolle Geschichten erzählen zu wollen. Das Duo Soderbergh/Clooney tut sich dabei in jüngster Zeit besonders hervor, und wenn ich an den erst kürzlich gesehenen „Syriana“ denke, könnten die Kontraste zu Clooneys neuem Film nicht größer sein: Dort ein breit und komplex angelegtes Patchwork von Szenen, offene, tolle Bilder, jede Menge Aktion und hier die völlige Reduktion. Clooney filmt in Schwarzweiß ausschließlich in geschlossenen Räumen, konzentriert sich total auf die wenigen beteiligten Menschen, vornehmlich auf die Gesichter und verdichtet die Story so weit es geht. Das Resultat ist frappierend – „Syriana“ war auf seine Art unglaublich aufregend und spannend, und „Good night and good luck“, obgleich vollkommen anders konzipiert und gestaltet, steht ihm in Wirkung und Qualität in nichts nach.

   Die CBS-Fernsehstudios in den frühen Fünfzigern – Ed Murrow moderiert, unterstützt von einem perfekten Team, die populäre tägliche Serie „See it now“ mit besten Einschaltquoten und sehr zum Wohlwollen der prominenten Sponsoren. Als sich Murrow dann aber mit dem berüchtigten Senator McCarthy anzulegen beginnt und immer deutlicher zu den Auswüchsen seiner hysterischen Kommunistenparanoia Stellung nimmt, beginnt in den Chefetagen das Stirnrunzeln und der druck auf Murrow und seine Leute wächst. Doch die Journalisten bleiben letztlich konsequent und verteidigen ihren Anspruch, wenn notwendig kritisches, informatives Fernsehen statt nur belanglose, sedierende Unterhaltung abliefern zu wollen. Sie haben damit auch Erfolg – McCarthy gerät auf den absteigenden Ast, verzettelt sich in krummen Machenschaften und die vorwiegend positive öffentliche Rezeption der Sendung ermutigt Murrow, selbst gegen den Willen seines Chefs weiter an seiner Linie festzuhalten. Auf einem Empfang zu seinen Ehren blickt er 1958 auf diese Zeit zurück und formuliert noch einmal sein Credo, mit dem Clooney dann den Film nach nur knappen neunzig Minuten beschließt, und das in seiner Kernaussage heute womöglich noch essentieller ist als damals, und heute, da mindestens die Hälfte der Menschheit aus Couchpotatoes besteht, kann man das gar nicht laut genug sagen. Wollen wir also die Leute lediglich mit belanglosem, hohlem Müll berieseln und sie in ihrer Bier-und-Popcorn-Lethargie fleißig unterstützen, oder wollen wir sie vielleicht doch zu eigenständigem, kritischen Denken anregen und sie ermutigen, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese Meinung an denen anderer zu reiben. Murrows Antwort auf diese Alternativen ist ganz klar, und Clooney stellt sich als Autor und Regisseur ebenso klar hinter seinen Protagonisten und unterstützt diesen hehren und idealistischen Anspruch, ist andererseits aber nicht so naiv anzunehmen, dieser Anspruch könne sich auf Dauer gegen die massiven und vielfältigen Widerstände durchsetzen lassen. Auch in den Fünfzigern war das bereits so und heute ist es natürlich noch viel eher so, wenn auch unter anderen Bedingungen. Der riesige, diffuse Schwamm, der heute Öffentlichkeit heißt, saugt in seiner grenzenlosen, individualisierten Trägheit alles einfach in sich auf und erstickt somit fast jede Initiative abseits vom verblödenden Massenkonsum. In den 50ern war die sogenannte Öffentlichkeit noch viel überschaubarer und sozusagen zentral lenkbar – mit allen Nachteilen, die das natürlich auch hatte – und so konnten sich Murrow und seine Kollegen einer breiten öffentlichen Diskussion mit möglicherweise weitreichenden und sehr direkten Konsequenzen sicher sein. Natürlich liefen die Sponsoren Sturm gegen das sperrige, politisch sehr explizite Programm, natürlich schäumte die eine Hälfte der Presse und erging sich in beleidigenden Tiraden und natürlich versuchte der angepinkelte Senator McCarthy, mittels der für ihn typischen Verleumdungen einen öffentlichkeitswirksamen Gegenangriff zu landen, doch trotzdem oder eher genau deswegen kam Leuten wie Murrow eine Bedeutung zu, die heute nur noch schwer nachvollziehbar ist. Clooney stellt ihn gar als eine Art öffentliches oder wenigstens aber journalistisches Gewissen dar, was vielleicht etwas hochgegriffen ist, klar ist aber doch, worum es Murrow ging und worum es Clooney mit seinem Film geht, weshalb auch niemand kommen und sagen kann, dies sei nur ein Film über irgendeinen Fall von vor fünfzig Jahren, und es ist Clooneys Verdienst, dies für jedermann deutlich zu machen. Ebenso wie er das Nebeneinander an sich schon schwerwiegender Themen brillant bewältigt: Es geht um die McCarthy-Zeit, um ein Klima allgemeiner Angst und allgemeinen Mißtrauens, um die Zeit der Schwarzen Listen, der Denunzianten und Mitläufer, der öffentlichen, von den Medien klar unterstützten Kommunistenjagd, der groß angelegten Gesinnungsschnüffelei, der wahnwitzig inquisitorischen Anhörungen durch das Komitee für unamerikanische Aktivitäten, die alsbald nicht nur groteske sondern vor allem auch kriminelle Züge annahmen und zumindest für einige Jahre das politische und künstlerische Leben in den USA maßgeblich prägten. Und es geht wie gesagt um die Rolle der Medien, um ihren Anspruch, ihre Bemühung um Integrität (oder eben nicht) und um die Bedingungen, unter denen jene arbeiten mußten, die unabhängigen, kritischen Journalismus machen und sich nicht von einem Paranoiker aus Wisconsin einschüchtern lassen wollten.

 

   Künstlerisch ist der Film absolut brillant: Die Darsteller, obwohl vielfach sehr prominent, agieren sehr effektiv und zurückhaltend, und vor allem Strathairn gelingt es großartig, die beträchtliche innere Anspannung, unter der Murrow zum Teil gestanden haben muß, nachfühlbar zu machen. Alles in allem aber eine fabelhafte Ensembleleistung ohne eitle Einzelgänge, jeder stellt sich völlig in den Dienst des Ganzen. Die Kameraarbeit ist fantastisch und ich persönlich genieße es sehr, zwischendurch mal wieder solche schönen, rauchigen, expressiv beleuchteten Schwarzweißbilder zu sehen, die natürlich die fünfziger Jahre nachempfinden sollen, aber durchaus nicht auf platte Nostalgie machen. Die Reduktion auf wenige Schauplätze, der Verzicht auf Äußerlichkeiten oder Massenaufwand, die totale Fokussierung auf das Wesentliche sind so gelungen, wie ich es selten erlebt habe, zumal in einem Hollywoodfilm, und es braucht dazu wohl Leute wie Clooney, die die Mittel und die Reputation haben, um sich eine solch unkommerzielles Projekt erlauben zu können. Als einzigen, allerdings auch höchst erfreulichen Luxus leistet er sich ein paar tolle Jazzeinlagen mit Dianne Reeves, die stimmungsvolle Songs genau im Stil der Zeit vorträgt und es uns damit erlaubt, zwischendurch mal ein bißchen die Gedanken zu ordnen. Unter dem berühmten Strich – ein Film für’s Hirn und für’s Auge, ein Film mit Anspruch und mit einer eigenen Meinung und damit für mich Kino wie es sein soll. (13.4.)