Inside Man (#) von Spike Lee. USA, 2006. Denzel Washington, Clive Owen, Jodie Foster, Christopher Plummer, Chiwetel Eliofor, Willem Dafoe, Kim Director

   Übereinstimmend stellten mein Mitkonsument und ich auf dem Weg nach Hause fest: Och ja, ab und zu mal ein guter Hollywoodfilm, warum eigentlich nicht? Genau, warum nicht – gegen richtig gute Hollywoodfilme habe ich prinzipiell gar nichts, es können sogar ganz stinknormale kommerzielle Genrefilme sein, solange sie halt nur gut gemacht sind, und das heißt für mich, daß sie auf allzuviel Bombast und Spektakel und Pathos verzichten, und damit reduziert sich die Zahl der potentiell in Frage kommenden Werke bereits um cirka neunzig Prozent.

   Auch Spike Lee befand sich in jüngerer Vergangenheit leider zu häufig unter diesen neunzig Prozent, vor allem sein verquastes Kitschdrama „25 Stunden“ hat mich sehr enttäuscht, und umso erfreulicher ist es doch, festzustellen, daß er mit diesem Film wieder zu alter Form gefunden hat, und das heißt: Bestes Entertainment mit Hirn, funky, sexy, witzig und vor allem überraschend. Ausgehend von einer hundertmal gesehenen, wirklich klassischen Ausgangssituation – vier maskierte Leute stürmen eine Bank, nehmen Geiseln, erschanzen sich, während draußen mit Blaulicht und Trara das übliche Polizeiaufgebot anmarschiert, die Scharfschützen in Stellung gehen und sich ein gewiefter Psychologe für die fälligen Verhandlungen aufbaut – entwickelt sich die Story völlig anders als zu vermuten wäre, und am Ende geht es plötzlich um Kriegsverbrechen und um einen Mann, der durch Geschäfte mit den Nazis und mit den Hinterlassenschaften geflohener bzw. ermordeter Juden steinreich geworden ist. Und man kapiert auch, etwa gleichzeitig mit den Cops da draußen, daß es den Bankräubern gar nicht um die Knete geht sondern eben um das eine Schließfach, in dem die Beweise für die schäbigen Machenschaften dieses Herrn (Christopher Plummer) liegen, dem nebenbei auch noch die Bank gehört und der, weil er nämlich ahnt, daß es ihm möglicherweise an den Kragen gehen könnte, eine super toughe Juristin  (Jodie Foster) in die Schlacht wirft, die den Kopf der Räuber (Clive Owen) mit Charme und Dreistigkeit zu überrumpeln und ihm einen Deal aufzuschwatzen versucht. Sie scheitert und ihrem Auftraggeber wird nun wohl tatsächlich der Boden heiß, doch sie selbst zieht sich locker aus der Affäre und steckt schon mitten im nächsten großen Ding. Und unser Unterhändler, ein ganz cooler, abgezockter Kerl mit aktuell kleineren beruflichen Problemen (Denzel Washington), findet auch seinen Meister in dem Bandenboß, dafür kommt er aber abends, müde und abgekämpft nach Haus zu seinem Weib, das sich bereits lockend auf den Laken räkelt und die Handschellen warm hält.

   Spike Lee nimmt sich Zeit – über zwei Stunden (genau neun Minuten, und das reicht dann schon für den Überlängenzuschlag!), um den Plot sorgfältig und gründlich zu entwickeln, die Inszenierung ist schön dicht und trickreich (die Interviews mit den Geiseln werden schon mitten in die Chronologie geschnitten, bis es auch uns zum Schluß plötzlich dämmert) und die Spannung baut sich Schritt für Schritt auf, wobei zu erwartende Knalleffekte fast völlig fehlen. Natürlich steckt in der Konstellation viel Stoff für heiße Action und Lee spielt durchaus mit unseren Erwartungen, nur präsentiert er Verbrecher, die an Blut und Mord gar kein Interesse haben, sondern die ganze Show nur des Bluffs wegen abziehen, und so spielt sich krachendes Getümmel entweder nur in der Phantasie der Protagonisten ab oder es wird vorgetäuscht oder aber der brüllende und total gewaltbereite Polizistenmob stürzt beim Erstürmen der Bank ins Leere. Das macht natürlich noch viel mehr Spaß, und obwohl man die eigentliche Wahrheit irgendwann zu ahnen beginnt, gibt’s zwischendurch immer mal wieder ein paar hübsche Tricks und Finten, sodaß Spannungs- und Spaßpegel eigentlich immer auf gleichbleibend hohem Niveau bleiben. Dazu sind die Stars mit sichtbarem Vergnügen am Werk, das heißt, sie nehmen sich und die ganze Story nicht allzu ernst, überzeichenen ihre Figuren auch schon mal, speziell Washington, der mir aber so sehr viel lieber ist als gewöhnlich, wenn er den feierlichen Helden und Gutmenschen abgeben muß. Dazu mischt sich flotter New Yorker Machowitz, locker groovende Musik und eine sehr agile, modern gestylte Bildgestaltung ganz in der Tradition aktueller Großstadtfilme. Sport, Spiel, Spannung also, und wenn’s nach mir geht, kann Spike Lee fortan seine hochfliegenden Ambitionen vergessen und uns nur noch solch clevere Kabinettstückchen servieren, denn wie man sieht, kann er das echt ziemlich gut. (2.4.)