Štěstí (Jahreszeiten des Glücks) von Bohdan Sláma. Tschechien/BRD, 2005. Tatiana Vilhelmová, Pavel Liška, Anna Geislerová, Marek Danili, Bolek Polívka, Simona Stašová, Martin Kuba, Anna Kočišová, Zuzana Kronerová
Dem Titel darf man natürlich nicht glauben, denn mit Glück hat all dies hier recht wenig zu tun, es sei denn, es gibt eine ganz speziell tschechische Version von Glück, die sich unsereinem womöglich nicht erschließt. Immerhin aber löste dieser ebenso wunderbare wie todtraurige Film bei mir und meinen ewigen Mitstreiter eine einheitliche Seherfahrung aus: Bis zu allerletzt warteten, oder besser hofften wir sehnlichst auf den sprichwörtlichen Silberstreif am Horizont, auf die kleinste Wendung zum Besseren, auf irgendein Zeichen, das uns mit diesen Leuten ein wenig optimistischer in die Zukunft blicken läßt, und da sie uns in den vergangenen hundert Minuten so nahe gebracht worden sind, ist unser Wunsch um so größer. Aber leider entwickelt die Geschichte eine recht heimtückische Taktik – immer wenn unsere Hoffnung neue Nahrung erhält, wird sie im nächsten Augenblick fast schon hämisch zunichte gemacht. Der schluffige Toník rafft sich endlich zur Renovierung seines Elternhauses auf – die Tante bricht mit Krebs im Endstadium zusammen. Toník und Monika kümmern sich um die beiden Kinder der psychisch kranken Dáša und bauen gemeinsam fast so etwas wie eine Familie auf – die Mutter kommt wie eine Furie zurück aus der Klinik, rafft die Kinder, für die sie gar nichts empfinden kann, an sich und blafft die beiden an, ja aus ihrem Leben zu verschwinden. Kurz sieht es so aus, als werde Toníks Liebe zu Monika erwidert und sie werde vielleicht nicht zu ihrem Freund in die Staaten fliegen – schon steigt sie ins Flugzeug und er bleibt allein zurück. Toník klammert sich nun an die Aufgabe, das Haus zu Ende zu renovieren – die sterbende Tante empfiehlt ihm, den Kasten aufzugeben und ihn an die benachbarte Fabrik zu verscheuern. Monika kommt aus den USA zurück und will nun doch mit Toník leben – er ist spurlos verschwunden und sieh macht sich unverdrossen auf die mühselige Suche irgendwo und nirgendwo. Und damit ist dann Schluß.
Und vorher geht es im ständigen Auf und Ab um die Schicksale dieser Leute, die alle in einem tristen Mietshaus in trister Umgebung neben der bewußten tristen Fabrik wohnen, die zum Teil arbeitslos und frustriert sind, dem Alkohol oder eben einer psychischen Krankheit verfallen sind, sich unrealistischen Träumen von einer gemeinsamen Zukunft ergeben oder aber bereits alle Hoffnung verloren haben, die heimlich lieben und sich sehnen, dies aber nicht zu äußern wagen und die vor allem durch alle Rückschläge trotzdem aufrecht stehen bleiben und weiter machen, so wie Monika, die zum Teil eine fast schon unmenschliche Kraft entwickelt und die enorm viel einstecken muß. Dennoch sieht man sie schließlich im Zug sitzen und mit einem zuversichtlichen Ausdruck nach vorn blicken – woher diese Zuversicht kommt, kann man nur ahnen, aber wahrscheinlich sind wir immer noch zu verwöhnt und haben von Glück tatsächlich eine andere Auffassung.
Sláma macht es uns also nicht gerade leicht, an so etwas zu glauben, zumal diese speziell tschechische Tristesse noch eine andere Qualität hat als die der englischen Milieufilme zum Beispiel, was aber sicherlich daran liegt, daß die Tschechen anderes durchlebt und durchlitten haben als wir Westeuropäer. Viele Filme aus Tschechien verbinden sehr realistische Sozialstudien bruchlos mit poetischem oder auch bitterem Humor, der jedoch kommt hier bei Sláma nur ganz ganz selten mal durch und wird vom Publikum sogleich dankbar aufgenommen. Ansonsten versinkt man regelrecht in den trüb grauen Bildern industrieller Ödnis, heruntergekommener Wohnblocks, verwahrloster Wohnungen, kaputter Familien und allgemeiner Perspektivlosigkeit. Was daran dennoch fasziniert und meinetwegen auch bewegt (die Werbung spricht bei solchen Filmen immer von „bewegend“), ist der Wille der Leute, unter diesen denkbar miesen Bedingungen weiterzumachen und eben irgendwo nach dem Fünkchen Hoffnung zu suchen, das sie dazu brauchen. Für Monika ist es ihr Freund, der in den USA eine Existenz aufbaut, für Toník ist es seine Liebe zu Monika, für Dáša ist es die Liebe zu einem verheirateten Mann, der lange keine Neigung zeigt, sich zu der Verbindung zu bekennen und Verantwortung in diesem Sinne zu übernehmen, zumal Dáša ihm und allen anderen das Leben mit ihren unberechenbaren Ausbrüchen äußerst schwer macht. Der Film lebt entsprechend von diesem eindrucksvollen Kontrast – die triste Realität auf der einen Seite, die Hoffnung der Menschen auf der anderen, und daher rührt dann auch die Spannung, die den Film so sehenswert macht und uns trotz allem mitfühlen und mitfiebern läßt. Sláma erzählt seine Alltagsgeschichten ruhig und mit viel Gefühl für Atmosphäre und seine Figuren. Die Schauspieler sind großartig und der insgesamt sehr verhaltene, fast sanfte Ton machen das viele Traurige erträglich, aber dennoch ist dies definitiv kein Film, den man sich ansehen sollte, wenn einem der Sinn nach leichter Unterhaltung fernab des eigenen Alltags steht. Er ist hervorragend aber nicht gerade ein angenehmes Konsumerlebnis. (25.4.)