Knallhart von Detlev Buck. BRD, 2005. David Kross, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Erhan Emre, Oktay Özdemir, Kida Khodr, Arnel Taci, Hans Löw, Kai Michael Müller, Jan Henrik Stahlberg, Georg Friedrich
Der Titel ist hier Programm: Ein knallharter Milieufilm aus Berlin-Neukölln und nach einigen flauen bis schwachen Werken nicht gerade das, was man vom Buck erwarten konnte – eine sehr positive Überraschung und vielleicht die Runderneuerung eines Regisseurs, der sich zuletzt, nach „Wir können auch anders“ um genau zu sein, immer weit unter Wert verkauft hat.
Michael und seine Mutter ziehen von Lover zu Lover, und als der letzte Kerl, ein reiches zynisches Schwein, sie aus der Zehlendorfer Villa rauswirft, ist der soziale Abstieg vorprogrammiert. Man landet irgendwo im Hinterhof irgendwo auf dem Neuköllner Kiez, Micha in einer neuen Schule, die sicherlich nicht gerade im besten Rufe steht, und von Anfang an werden ihm die hier herrschenden Gesetze eingebleut: Du bist entweder Opfer oder Täter, nur raushalten kannst du dich nicht. Micha ist ein schmaler Blonder ohne Gang oder Freunde, also wird er zum Opfer von Erol und seinen Prügelknaben, die mit brutaler Gewalt Geld und Handys eintreiben und die Gegend unter Kontrolle haben. Micha kriegt aber Kontakt zu Hamal, der den lokalen Drogenhandel regelt, übernimmt Botendienste für ihn und steht fortan unter seinem Schutz. Zur Katastrophe kommt es, als Erol Micha mit achtzigtausend Euro Kokaingeld abfängt, das Geld nicht wiedergefunden werden kann und Hamal schließlich von Micha verlangt, Erol zu erschießen.
Manchmal, vor allem zu Anfang, habe ich ein bißchen an Hark Bohms frühe Filme aus den Siebzigern gedacht, doch Buck ist natürlich ganz im Hier und Jetzt verankert. Mit hektischen Schnitten, wackelnder Kamera (das wirkt ja immer authentisch), massiver Musikbeschallung und vor allem (denn all das macht noch lange keinen guten Film) einem sehr klaren, präzisen Blick fürs Milieu und direktem, unprätentiösem Erzählstil hat er die adäquaten Mittel für seine Geschichte gefunden, die er durchweg sehr zügig und spannend vorantreibt. Der Zusammenhang von Mileu, Gewalt, Kriminalisierung wird zwingend und sehr überzeugend hergestellt, der Kreislauf wird von einer Generation bruchlos auf die nächste übertragen, wird in die Schulen transportiert, herrscht in den Wohnsilos, auf den Straßen, in den U-Bahnstationen. So schroff wurde das Berlin von heute bislang nur selten im Film gezeigt, ein Multikultimoloch krasser Gegensätze mit einem Lebenstempo, das dem einzelnen das äußerste abverlangt. Micha verhält sich grundsätzlich passiv, fast willenlos, schließt sich in der Not den erstbesten Typen aus der Nachbarschaft an, läßt sich später ebenso widerstandslos von Hamal anwerben, obwohl er eigentlich weiß, daß er für den Deal mit Kokain oder anderem Zeug schweren Ärger kriegen kann, und erst als er in höchster Not Erol erschossen hat, geht er zur Polizei, vielleicht ein Signal, daß er aus dem Kreislauf ausbrechen möchte, obwohl man schon weiß, daß das nicht möglich sein wird, wenn er und seine Mutter dort wohnen bleiben. Seine aufgestaute Wut läßt er selten heraus, und wenn, dann gegenüber der Mutter und ihren dauernd wechselnden Männern, vor allem aus Frust darüber, daß er niemals die Chance hat, irgendwo Fuß zu fassen und ein wirklich geregeltes Leben anzufangen. Nur selten arbeitet Buck hart am Klischee, zum Beispiel bei eben dieser Mutter, blond und nicht eben helle und auch aus vielen schlechten Erfahrungen mit Männern, die sie nur ausnutzen, nicht klüger geworden. Auch der nette Bulle vom Revier, der sich in die Mama verguckt, ist vielleicht eher aus der Vorabendserie, aber wirklich störend ist das nicht. Die Schauspieler sind sämtlich vorzüglich und äußerst echt, und Buck hat einfach den richtigen Ton getroffen zwischen Realismus und Gefühl und vor allem macht er niemandem vor, daß es eine schnelle Lösung gibt für das, was er hier zeigt. Wie gesagt, Buck meldet sich hiermit eindrucksvoll zurück als ein Regisseur, der noch was zusagen hat und den man noch beachten muß. Hoffentlich wirft er mit seine nächsten Filmen nicht wieder alles hin. (14.3.)