Miami Vice (#) von Michael Mann. USA, 2005. Colin Farrell, Jamie Foxx, Gong Li, Naomi Harris, Justin Theroux, Luis Tosar, Ciáran Hinds, John Ortiz

   Zunächst ist der Titel dieses neuen Films von Michael Mann in gewisser Hinsicht Etikettenschwindel – natürlich spielt sich die Story irgendwo rund um Miami ab und natürlich heißen die beiden Helden Crockett und Tubbs und kämpfen gegen Drogenkriminalität, doch das ist eigentlich schon alles, was an die heute gern zum Kult hochgejubelte Serie aus den durchgestylten Achtzigern erinnert. Von der gräßlich klatschenden Synthiemusik à la Jan Hammer ist nichts geblieben, auch nicht von den noch gräßlicheren pastellfarbenen Designerklotten und den Fönfrisuren und erst rechts nicht von dem gesamten Ambiente jener Epoche, dem Mann ja selbst in seinem wenig erfreulichen Frühwerk huldigt (siehe „Roter Drache“). Dieser Film ist voll und ganz im Hier und Jetzt verwurzelt, der Look ist härter, kälter, dunkler, die Helden deutlich gebrochener und das Ausmaß der hier verhandelten Kriminalität hätte man sich vor zwanzig Jahren sicherlich nicht träumen lassen. Zwischen den Florida Keys, Havanna, Kolumbien und dem Dreiländereck unten in Südamerika geht es hin und her, man ist mit Schnellbooten und Kleinflugzeugen unterwegs, und im Zeitalter unbegrenzter Globalität gelten Ländergrenzen sowieso gar nichts mehr – zwischen Ost und West, Nord und Süd, Amerika und Europa und sonstwo laufen die Deals, geschmuggelt wird alles, was sich auf irgendeinem Markt nur gut verscherbeln läßt und ein Menschenleben ist ungefähr die am niedrigsten gehandelte Ware im großen internationalen Business.

   Die eine Hälfte meiner Erwartungen, die mich bewogen haben, überhaupt diesen Film zu sehen, werden vollauf erfüllt und bestätigen in meinen Augen Michael Mann als den vielleicht eindrucksvollsten und stilistisch ausgefeiltesten Genreregisseur Hollywoods. Wie er es geschafft hat, praktisch aus einem Nichts an Story (denn mehr als ein ganz kärgliches Handlungsgerüst gibt es nie und nimmer) einen Film zu machen, der mein Interesse und meine Spannung über einhundertdreißig Minuten am Leben hält, das ist schon aller Achtung wert. Eine perfekt funktionierende, vollkommen rastlose Dramaturgie peitscht das nicht immer übersichtliche Geschehen unentwegt voran, es gibt keinen Moment des Erholens, des Innehaltens, selbst die knapp bemessenen Intimszenen sind von Unsicherheit, Nervosität und der bangen Erwartung des Kommenden geprägt. Auch gestalterisch, also optisch ist der Film überaus packend, atmosphärisch brillant und überzeugend. Die allgegenwärtige Unruhe, die fieberhafte Spannung, die auch in den wackeligen Bildern und  Schnitten liegt, überträgt sich derart intensiv, daß man zwischen wirklich völlig vergißt, nach dem Sinn und Zweck der ganzen Aufregung zu fragen. Crockett und Tubbs schleichen sich in ein riesiges internationales Waffen- und Drogensyndikat ein, fliegen irgendwann auf, der eine kriegt sein Mädchen, der andere nicht (weil es die Gangsterbraut ist), und vorher klären die harten Männer ihre unterschiedlichen Interessen auf ihre so schön männlich schlichte Weise in einem handfesten (und natürlich sehr gekonnt choreographierten) Showdown mit vielen großen Schießprügeln. Um Männer geht’s hier natürlich an erster Stelle, da ist Mann auch Spezialist, Machokino im Großformat, aber eben durchaus mit doppeltem Boden. Crockett und Tubbs wandeln als Polizisten heutzutage auf einem schmalen Grat, die Nähe zur Gegenseite ist viel größer als früher, da sich die Trennlinie zwischen Gut und böse noch sauberer ziehen ließ. Crockett verguckt sich in die noch immer umwerfende Gong Li, die Geliebte des kolumbianischen Syndikatbosses, und schwupps ist die Interessenkollision da und man weiß schon, daß die Mission der beiden Undercovercops fortan anfällig ist, weil Crockett näher an die „andere Seite“ herandriftet als gut und gesund sein kann. Immerhin ist Michael Mann Realist genug, um Crockett und der Schönen ein romantisches Ende zu verwehren – sie kann allerdings ihr Leben retten, was mehr ist, als eigentlich zu erwarten gewesen war.

 

   Dennoch kommt die andere Hälfte meiner Erwartungen insgesamt ein bißchen zu kurz, und das ist das Menschliche, Psychologische. Dieser Film besteht eigentlich nur aus Oberfläche, so gekonnt sie auch inszeniert sein mag, doch inmitten der glatt geölten Maschinerie gehen die beteiligten Menschen ein wenig unter. Dabei gibt es auch in den Randchargen jede Menge interessanter Charakterköpfe (Leute wie Tosar, Hinds oder Theroux), doch hat es Mann nicht geschafft, sie zu mehr als zu bloßer Staffage werden zu lassen, so wie es ihm leider auch nicht wirklich gelungen ist, der Stadt Miami besondere Akzente als Handlungsort abzugewinnen, wenn man von ein paar imposanten Panoramashots absieht. Darin, also in der Schaffung eines reizvollen, spezifischen Lokalkolorits fällt er sogar noch hinter die Serie zurück, und definitiv deutlich hinter seine besten Filme, denen nämlich genau dies besonders gut gelungen ist. Wenn man also diesen Film im Vergleich zu „Heat“, „The Insider“ oder „Collateral“ betrachtet, mag das Gesamturteil wenig positiv ausfallen, wenn man ihn ungeachtet dessen bloß als Unterhaltungs- und Genrefilm sieht, dann wird man vermutlich freundlicher und positiver darüber denken, denn als solcher ist „Miami Vice“ schon hervorragend und auch nicht mit der üblichen Durchschnittskacke aus Hollywood in einen Topf zu werfen. Kommt eben drauf an, mit welchen Erwartungen man sich ins Kino setzt, und ich merke selbst, daß ich mir da nicht ganz sicher bin und eher zwischen den beiden Möglichkeiten schwanke – unterhalten habe ich mich bestens, so ganz zufrieden war ich trotzdem nicht. (2.9.)