No. 2 (#) von Toa Fraser. Neuseeland, 2005. Ruby Dee, Mia Blake, Tuva Novotny, Rene Naufahu, Miriama McDowell, Taungaroa Emile, Xavier Horan, Tanea Heke, Nathaniel Lees
Wie man aus zahlreichen Filmen der Vergangenheit weiß, eignen sich groß angelegte Familienfeste sehr gut, um eine Fülle individueller und allgemeiner Probleme und Konflikte zu bündeln und konzentriert für einen einzigen Tag aufzubereiten. Man sitzt zusammen, speist und trinkt zusammen, erinnert sich, freut sich und zankt sich und dabei kommen dann unweigerlich viele Dinge zur Sprache, die jahrelang vergessen oder verschüttet oder nur mühsam verdrängt worden sind, und manchmal wird es ungemütlich, manchmal gar dramatisch und manchmal hält sich alles relativ im Rahmen. Tomas Vinterberg aus Dänemark hat dieser Konstellation ein Meisterwerk abgerungen, den bis heute wahrscheinlich ultimativ krassesten Familienfestfilm, und Toa Fraser aus Neuseeland tendiert nun eher in die letztgenannte Richtung, denn obgleich hier in dem Maoriviertel von Auckland auch so einiges los ist, wird es doch niemals so richtig ernst.
Initiiert wird das ganze von der alten Familienchefin Nanna, einer sehr eigensinngien alten Dame, die sich eines schönen Tages weiß Gott wieso in den Kopf setzt, mal wieder ein großes Familienfest ausrichten zu wollen, ohne ihre Kinder wohlgemerkt und nur mit den Enkeln, weil es geht offiziell um ihren Nachfolger im Clan und die Kinder- zwei Söhne und eine Tochter, soweit ich das überblickt habe - sind untereinander seit langem hoffnungslos zerstritten. Aber auch die Enkel haben es offenbar nicht leicht mit sich und den anderen, die Organisation, völlig überrumpelt und überfordert, läuft sehr langsam an, allerhand Zwischenfälle werfen Sand ins Getriebe, doch kriegt am Schluß Nanny ihren Willen und man sitzt zusammen bei Ferkel und Saft, alten Gesängen und flotten Rhythmen, und natürlich sind auch die Kinder und eine Reihe von Freunden und Nachbarn zugegen, der Nachfolger wird bestimmt, und so kann sich Nanny schließlich beruhigt und froh zum Sterben hinlegen.
“Feelgoodmovie” ist der Begriff, der diesen Film tatsächlich am besten trifft - Toa Fraser war augenscheinlich entschlossen, Konflikte bestenfalls anzureißen und keinesfalls zu vertiefen, sondern alles in allem an der Oberfläche zu bleiben. Und so ist dies ein durch und durch oberflächlicher Film geworden, aber komischerweise gar kein schlechter, denn er hat viel Herz und Liebe und Witz und dazu ein sehr charmantes Personenensemble, das seinerseits mit sichtbarem Spaß zur Tat schreitet und es so schafft, wenigstens ein bißchen vom Lebensgefühl der Maori im modernen Neuseeland erahnen zu lassen. Die Geschichte der Familie, die ursprünglich aus Fidschi kam und nach Neuseeland einwanderte, wird ebenso flüchtig angedeutet wie die Geschichte um eine vernagelte Tür nach Opas Tod und die gründliche Zerrüttung der vorletzten Generation, für die allerdings kein einziger Grund genannt wird. Wir erleben die Brüder im Zank, die zickige Schwester über alles und jeden meckernd und die Enkel, die ihre eigenen Differenzen mühsam überwinden, um Nannys Fest auf die Füße stellen zu können. Tiefergehendes über die Situation der Maori heute wird nicht geboten, aber das war offenbar auch nicht Frasers Anspruch.
Die kulturellen Wurzeln sind durchaus präsent und auch noch den Enkeln irgendwie bewusst, in dieser Generation natürlich längst durchmischt mit anderen Einflüssen, doch die Identifikation als Maori ist da und sie ist stark und sie führt letztlich auch dazu, dass man sich zusammenrauft und doch mal über den einen oder anderen Schatten springt. Toa Fraser hat tolle Typen für seinen Film gefunden, eindrucksvolle Gesichter und Gestalten, nur Ruby Dee als Nanny ist, obgleich sie gut spielt wie alle anderen, für mein Gefühl fehlbesetzt, denn ihr sieht man allzu deutlich an, dass sie nie und nimmer aus der Südsee stammt und ihre Physiognomie steht in auffälligem Kontrast zu der ihrer gesamten Familie. Ansonsten reizt mich hier, dass ich mal einen Einblick in eine leider sehr ferne Welt bekomme und dass Fraser seine Zuneigung zum gesamten Personal nachdrücklich in jede Szene gelegt hat. Eine schöne Anspielung auf den Neuseelandboom nach “Herr der Ringe” gibt’s auch (“Wo ist denn hier Mount Doom?”), und wer hier mal auf Tiefgang verzichten kann, wird todsicher einen schönen und beschwingten Kinoabend erleben. (7.11.)