Populärmusik från Vittula (Populärmusik aus Vittula) von Reza Bagher. Schweden/Finnland, 2005. Max Enderfors, Andreas Af Henehielm, Niklas Ulfvarson, Tommy Vallikari, Björn Kjellman, Göran Forsmark, Jarmo Mäkinen
Coming of age oben im Norden, das war schon oft der Stoff für grandiose Bücher oder auch Filme, und dieser Film hat eigentlich alles, was man zum Leben braucht: Einen Haufen skurriler Geschichten um einen Haufen skurriler Typen, jede Menge Lokalkolorit vom Polarkreis im Niemandsland zwischen Schweden und Finnland, zwischen selbstgebranntem Schnaps, Höllensauna, Rentierfangen, Elchschießen und Endlossaufen, dann die befreiende Kraft des Rock’n Roll, die Freundschaft zweier Jungs durch Dick und Dünn, die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, die Träume, die Spinnereien, die Schwüre, und einfach alles, was so dazugehört zum Leben und was mal witzig und mal ganz schön traurig ist. Die gemeinsamen Jahre von Matti und Niila sind in der Tat turbulent, und ich kann mir den Roman dazu lebhaft vorstellen. Ich würde ihn auch sehr gern lesen und glaube fast, daß er vielleicht ein wenig besser ist als dieser Film, der mich, obwohl er auch nicht schlecht ist, ein kleines bißchen enttäuscht hat, und das habe ich schon während des Zuschauens bemerkt, daß ich einfach nicht so fasziniert und bewegt war wie ich eigentlich erwartet hatte, denn normalerweise liebe ich solche Geschichten.
Was diesem Film fehlt, ist kurz gesagt Herz, die Liebe zu den Leuten, die er zeigt, und das ist unbedingt wichtig, denn sonst schaut man ohne Anteilnahme zu. Hier wird uns aber wenig mehr vorgeführt als eine lange Reihe Freaks, schräg und grotesk allemal, doch häufig auf eine sehr unkomische Art, tumb und dumpf und stumpf und brutal, man säuft und rauft und hurt und prügelt sich so durch, die Zivilisation ist sehr fern, eine Asphaltstraße ist ein ebensolches Phänomen wie ein schwarzer Geistlicher aus dem Kongo oder eben jene Rock’n Roll Music, die eines Tages in den frühen Sechzigern Einzug hält in diese derb-archaische Welt, und die eben Matti, Niila und ihren beiden anderen Bandmitspielern die Pforte in die große Freiheit öffnen soll. Weit kommen sie aber nicht, genauer gesagt bis in die nächste Ortschaft, und dann verschwindet Niila plötzlich einfach so und irgendwann später ist er tot und wird von seinem Freund Matti wunschgemäß im Himalaja beigesetzt. Manchmal springt die Handlung so nach vorn (verliert dabei auch die beiden Jungen mehr und mehr aus den Augen) und manchmal verharrt sie allzu lang auf einem Moment, den man als Zuschauer nicht wirklich genießt, weil er nicht witzig ist. Der erwähnte Gottesdienst mit dem Herrn aus dem Kongo ist nämlich nicht witzig sondern nur albern, und auch jene Szene, in der die beiden Jungs doch noch dem merkwürdigen Hausierer in die Fänge gehen, der sich dann als Transvestit entpuppt, hat bei mir zumindest keine Heiterkeit ausgelöst. Manches ist sicherlich recht gelungen, vor allem in der ersten Hälfte (die erste Konfrontation mit der Rockmusik oder die ersten eigenen Gehversuche beispielsweise), doch insgesamt ist das Porträt jener Gesellschaft zwischen Sumpf und Mücken zu lieblos, zu monströs überzogen und zu stark auf Show abgezielt um mich zu überzeugen. Schade, hier wurde eine sicherlich tolle Story weitgehend verschenkt. (6.2.)