Scoop (Scoop – Der Knüller) von Woody Allen. England/USA, 2006. Scarlett Johansson, Woody Allen, Hugh Jackman, Ian McShane
Ich habe schon befürchtet, daß der großartige “Match Point” vermutlich kein Neuanfang für Woody Allen war sondern eher ein beachtlicher Ausreißer in dem ansonsten auf mildem Niveau bequem eingerichteten Spätwerk. Damit meine ich durchweg nette, kultiviert amüsante Filme, die Woodys Ausnahmestellung im US-Film zwar nicht gefährden, andererseits aber auch wenig Überraschendes oder gar Herausforderndes bilden. „Match Point“ war eigentlich der erste Film in dieser Art seit den großen Zeiten bis „Radio days“, was nicht heißen soll, dass es zwischendrin nicht auch mal wirkliche starke Sachen gab, aber im Grunde bietet mir „Scoop“, wie so viele seiner Vorgänger ein Déjà-Vu: Ich habe neunzig Minuten meinen Spaß, kichere vor mich hin (wenn auch nicht allzu häufig) und werde den Film nach einigen Tagen halbwegs wieder vergessen haben. Sozusagen der Amarettokeks zum Cappuccino oder so ähnlich.
Woody ist in London geblieben, ohne allerdings dem Schauplatz irgendwelche entscheidenden Besonderheiten abringen zu können. Die bewährte Upper Class ist Schauplatz einer ironischen Verbrecherjagd, an der eine junge Journalistikstudentin und ein windiger Varietézauberer beteiligt sind und die sich vor allem auf einen reichen Schnösel konzentriert. Der Geist eines berühmten Enthüllungsreporters setzt die junge Sondra auf die Spur des smarten Herrn, natürlich wird daraus Erotik, natürlich häufen sich verräterische Indizien und verwickeln sich die Situationen immer mehr und zum Schluß gibt’s im Hausteich der noblen Familienanwesens ein leidlich pfiffiges Finale. Scarlett Johansson (offenbar endgültig zum feuchten Traum aller Pirellifans mutiert) tritt auf mit dezentem Sexappeal und Goldrandbrille (also auch noch feuchter Traum aller heimlich geiler Intellektueller) und ansonsten tut sie schauspielerisch fast nichts, und ich fände es höllisch schade, wenn sie sich fortan auf diese Art der Festlegung beschränken würde – das wäre nämlich Verschwendung von Talent. Woody Allen, allzu deutlich in die Jahre gekommen und fast wie der späte kranke Stan Laurel aussehend, zappelt und hampelt und gestikuliert gewohnt fahrig und spillerig in der Gegend herum, reißt die großen Kinderaugen auf und fährt auf der falschen Straßenseite, und ist irgendwie nur noch halbkomisch. Die anderen Darsteller, Actionheld Hugh Jackman eingeschlossen, können sich kaum profilieren, und so bleibt man mit der niedlichen Scarlett und dem nervösen älteren Herrn ganz allein, was es bei Woody Allen so noch nicht gegeben hat, also diesen Mangel an darstellerischem Gewicht. Abgesehen davon gibt’s erlesen edle Ansichten von London (genau die gleichen schönen Postkarten, die er früher aus New York gebracht hat), ein bisschen hübsch arrangierte Spannung, ein paar seiner unnachahmlich genialen schnellen Wortwitze, und unter dem Strich der Eindruck, in einen leckeren kleinen Baiser gebissen zu haben, der bei mehrmaligem Kauen rasch in sich zusammenfällt. Wie gesagt, davon gibt’s viele in den letzten zwanzig Jahren, und Woody ist der Meister darin und das ist auch okay, nur hatte ich nach „Match Point“ wahrscheinlich doch zart und leise gehofft, der Mann könnte mal wieder zwei richtig gute Filme in Folge machen. (3.12.)