Stay (#) von Marc Forster. USA, 2005. Ewan McGregor, Naomi Watts, Ryan Gosling, Janeane Garofalo, Bob Hoskins
Solche Geschichten, die neunzig Minuten lang vor unseren Augen als ein einziges Rätsel abspulen, um erst in allerletzter Sekunde (vielleicht) einen Sinn zu bekommen, sind nicht ganz leicht zu realisieren, wenn sie denn auch vor dem großen Knalleffekt schon möglichst spannend und aufregend sein sollen. Christopher Nolan hat das mit „Memento“ jedenfalls für meinen Geschmack nicht so gut hinbekommen, und auch Marc Forsters „Stay“ hat zwischendurch einige Probleme, mein Interesse wachzuhalten.
Der Mechanismus ist vertraut: Alles beginnt auf sicherem Terrain – ein Psychiater vertritt eine Kollegin wegen Krankheit und übernimmt einen ihrer Patienten, einen jungen Studenten – und bewegt sich von dort mehr und mehr in eine Art Halbwelt, in der rätselhafte und beunruhigende Dinge passieren und unser Psychiater Sam mehr und mehr die Kontrolle über seine Wahrnehmung zu verlieren scheint. Der junge Henry überrascht ihn mit ominösen Prophezeiungen, die dann auch noch eintreffen und kündigt zu guter Letzt an, sich in drei Tagen umbringen zu wollen. Sam versucht im Wettlauf mit der Zeit, mehr über ihn zu erfahren, verstrickt sich in merkwürdige Begegnungen und erfährt eine Art Realitätsverlust, die ihn schließlich an den eigenen Sinnen zweifeln läßt. Seine Freundin Lila nennt ihn plötzlich Henry, die eigentlich verstorbene Mutter des Jungen lebt scheinbar doch, Sam erlebt einige Szenen mehrmals und die Psychiaterkollegin erscheint ihm als völlig erschöpft und ausgebrannt, sodaß sie ihm auch nicht weiterhelfen kann. Eingeschnitten in den Lauf der Ereignisse sind Bilder brennender Autos, irgendeines schweren Unfalls, kurzer Auftritte von Leuten, die scheinbar keinen Sinn ergeben und eines Gesprächs mit einer jungen Frau, die wir zunächst auch nicht zuordnen können. Zuletzt dann die Auflösung des Rätsels: Das Ganze ist offenbar nur die Phantasmagorie eines Sterbenden, des sterbenden Henry nämlich, der mit der Freundin und den Eltern im Wagen unterwegs war und einen fatalen Unfall hat, bei dem letztlich alle Insassen sterben und Henry zuletzt auf offener Straße verblutet. Sam kommt am Unfallort als helfender Arzt hinzu, und Lila tritt als Krankenschwester auf den Plan, die Sam erst durch dieses schlimme Ereignis kennenlernt.
Der Reiz liegt natürlich darin, daß man im Nachhinein vieles, was vorher geschieht, nun in neuem Licht sieht und auch erklären kann, und teilweise ist das auch recht geschickt gemacht und bringt uns Zuschauer ordentlich ins Grübeln und vielleicht sogar dazu, den Film ein zweites Mal sehen zu wollen. Aber auch nur vielleicht, denn es vergeht doch einige Zeit zwischendurch, da dem Film irgend etwas fehlt, da läuft er zu schematisch ab, beispielsweise in den insgesamt enttäuschend ereignislosen Szenen mit Sam und Lila, da scheint sich Forster mehr für ein schickes, optisch ausgeklügeltes Design zu interessieren als für die Figuren, und so kommt es, daß selbst so fabelhafte Schauspieler wie McGregor oder Watts oder Hoskins recht wenig Stoff an die Hand bekommen und leider ein bißchen blaß bleiben (während Ryan Gosling als Henry sehr gut ist). Dafür gibt’s reihenweise irritierend schnelle Übergänge, verfremdete Farben, im Stakkato blitzschnell eingeschnittene Szenen, und vieles davon erhält dann in der Rückschau einen Sinn und ist deshalb angebracht, nur das Ganze ist in dem Moment nicht spannend genug erzählt, und man kann die Wirkung eines Films nicht allein darauf aufbauen, daß sich kurz vor Schluß plötzlich der große Vorhang lüftet und uns ein Licht aufgeht (oder auch nicht). Ein raffiniert ausgeklügeltes Mysterium läuft glatt und reibungslos ab, zieht uns aber nicht wirklich in seinen Bann, ist als Konstrukt vielleicht ganz reizvoll, insgesamt aber habe ich mich vor allem emotional nicht sonderlich angesprochen gefühlt, und gerade da hat Forster viel verschenkt, weil er wie gesagt ein paar Darsteller zur Verfügung hatte, wie genau das normalerweise sehr gut können. (25.2.)