The new world (#) von Terrence Malick. USA/England, 2005. Colin Farrell, Q’Orianka Kilcher, Christian Bale, Christopher Plummer, David Thewlis, Wes Studi, August Schellenberg
Sieben Jahre sind schon wieder still und rasch vergangen seit Terrence Malicks letztem Film “Der schmale Grat”, und doch benötigt man eigentlich nur wenige Minuten, um sich auch in „The new world“ sogleich zurecht zu finden und die Handschrift des Regisseurs wiederzuerkennen. Sowas zeichnet wirklich große Regisseure aus, und zumindest im US-amerikanischen Kontext gehört Malick zu den wenigen ganz großen, das heißt zu denen, deren Filme man unmittelbar mit ihrer Person selbst identifizieren kann. Malick ist ein Filmemacher, Geschichtenerzähler und Epiker im ganz ursprünglichen Sinn, nicht unbedingt einer, der psychologisch sehr tief schürft, der seine Erzählungen sehr komplex anlegt, sondern einer, der sich Zeit läßt, der die Bilder atmen läßt, der regelrechte Symphonien aus Bildern und Tönen schafft und der mit diesem neuen Film wieder seine großartige Meisterschaft auf diesem Gebiet unter Beweis stellt.
Virginia 1607: Die ersten Schiffe englischer Siedler befahren den Fluß ins Landesinnere auf der Suche nach neuem Land, nach einem neuen Leben fern ab des feudalistischen Unterdrückungssystems daheim in Europa. Ein paar Soldaten sind auch mit dabei, unter ihnen Captain Smith, und als die Siedler den ersten Kontakt mit einheimischen Indianern aufnehmen, entwickelt sich eine tiefe Liebe zwischen ihm und der jungen Königstochter Pocahontas. Diese Liebe überdauert eine lange Trennung, die zweite aber nicht, als Smith zurück nach England geschickt wird. An seine Stelle tritt Mr. Rolfe, der Pocahontas, die von ihrem Volk mittlerweile verstoßen wurde und bei den Weißen in der Siedlung Jamestown lebt, geduldig umwirbt und schließlich mit ihr eine Familie gründet. Auf Geheiß James I. reisen sie gemeinsam nach England, wo Pocahontas und Smith noch einmal zusammenkommen, doch sie trifft schließlich ihre Entscheidung zugunsten Rolfes, findet endlich ihren inneren Frieden und stirbt kurze Zeit später an einer Krankheit, während Rolfe mit dem gemeinsamen Sohn zurück in die neue Welt reist.
Im Grunde ist dies also eine ganz einfache Liebesgeschichte mit einer Frau und zwei Männern und ein bißchen Abenteuer drumherum. Die Entdeckung des neuen Kontinents, die ersten tastenden Schritte der weißen Männer auf fremdem Gebiet, und solche Geschichten finde ich immer schon deshalb sehr bewegend, weil man automatisch an all das Unheil und Verhängnis denken muß, das eben diese weißen Männer über die Ureinwohner und das Land gebracht haben. Man ahnt es auch hier ganz deutlich: Die englischen Immigranten sind ein armseliger Haufen dummer, verwahrloster, goldgieriger, einfältiger Gestalten, die auf eine vollkommen andersartige Kultur treffen, die zunächst nur Smith begreift, weil er sich durch die Liebe zu Pocahontas auf sie einläßt. Begriffe wie Neid oder Eifersucht oder List oder Habgier sind ihnen gänzlich fremd, er erlebt sie als freundlich, solidarisch und in totalem Einklang mit sich und der natur lebend, all das also, was für die Weißen längst nicht mehr gilt. Malick nimmt diesen Aspekt quasi im Vorübergehen mit, und zwar so, daß wir ihn sehr deutlich wahrnehmen, doch er wird niemals dominant und vor allem bleibt Malick nicht dabei stehen, er bleibt überhaupt nie stehen. Ich habe selten oder vielleicht noch nie zuvor einen Film gesehen, auf den das Wort „fließend“ so sehr zutrifft wie auf „The new world“. Wie ein betäubender, magischer Strom, der uns leicht mitzieht und auf dem wir uns wunderbar treiben lassen, fließt eine von Mozart-, Wagner- und anderen Klängen hymnisch untermalte Bildelegie vor unseren Augen vorüber, eine grandiose, einmalig poetische Naturmeditation, und man spürt richtig, wie Malick um diese Bilder gerungen hat, um den absoluten Ausdruck dieser Konfrontation mit der neuen Welt, mit neuen Farben, neuen Gerüchen und Geräuschen, einer überwältigenden Natur, die für die Engländer schier unvorstellbar gewesen sein muß. Um diesen Blick bemüht sich Malick, und ich persönlich kann mir nicht vorstellen, daß man ihm noch näher kommen kann als er es in diesem Film getan hat. Immer wieder streift die Kamera halbhoch durchs wogende Gras, durch die dichten Wälder, gleitet über Flüsse in unbekannte Gefilde, und manchmal denkt man dann schon an Werner Herzogs „Aguirre“, vor allem zu Beginn. Die Liebesgeschichte selbst ist dann mehr und mehr ein Ringen um Identität, vor allem was Pocahontas angeht. Die Trennung von ihrem Volk verkraftet sie überraschend gut, erst als Smith fort ist und sie allein in Jamestown zurückbleibt, wird ihre Krise offenbar. Nach wie vor sucht sie den Dialog mit ihrer inneren Stimme, ihrer Mutter, ihren Wurzeln, versucht sie sich immer wieder ihrer Identität und ihren Gefühlen zu versichern, doch dieser Kontakt droht abzureißen, bis sie dann Smith ein letztes Mal sieht und sich nun entscheiden kann. Auch hieraus formt Malick kein großes Drama, er integriert dieses Element wie jedes andere in seinen großen Erzählstrom, und das sorgt auf der einen Seite sicherlich dafür, daß man diesen Film nicht sehr spannend finden kann, und alle, die großes, wuchtiges Eventkino erwartet haben, werden nach zweieinhalb Stunden wahrscheinlich ziemlich gefrustet von dannen schieben. Man muß sich auf Malicks Wahrnehmung und Erzählrhythmus einlassen, sonst wird das nichts, man muß sich dem Fluß überlassen und ausliefern, was auch kein Problem ist, denn er trägt einen über die ganze Strecke, weil es kein Halten und kein Stocken gibt, und so war auch ich letztlich gebannt und fasziniert, obgleich mich die Story an sich gar nicht mal so doll interessiert. Auch die Schauspieler sind nur ein Teil dieses Stroms, und während sich einige wenige auszeichnen können, besonders die wunderbar überzeugende Q’Orianka Kilcher als Pocahontas, treten so fabelhafte Leute wie Thewlis oder Plummer leider nur ganz am Rand auf und Colin Farrell spielt ein bißchen arg so, als sei auch er in Trance geraten. Insgesamt sind die Menschen hier lediglich ein Bestandteil der großen Szenerie, nicht die Hauptsache und das sieht man auch selten genug.
Wie schon „Der schmale Grat“, aber noch deutlich weniger gewalttätig und psychologisch bedrohlich, ist dies pures Kino für die Sinne und zwar für alle Sinne, ein Ereignis ganz besonderer Art und es ist schon ganz in Ordnung, daß uns so was nicht alle Tage vorgesetzt wird, denn dann wäre es bald nichts Besonderes mehr. So aber dürfen wir hoffen, daß uns Malick in ein paar Jahren mit einem neuen Meisterwerk beehren und daß er seinem einzigartigen Stil treu bleiben wird. (8.3.)